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Johannes Stiegler: Tafelmalerei aus Zum Heiligen Kreuz in Weiler an der Zaber (1767)

In der evangelischen Kirche Zum Heiligen Kreuz in Weiler an der Zaber, Kreis Heilbronn, findet man eine eigenartige Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Der Maler aus dem Umkreis des württembergischen Pietismus zeigt dort die Gottesstadt in Anlehnung an einen zinnenbekrönten maurischen Palast. Die Stadt thront auf der neuen Erde, die vom Lebensstrom, der aus der Stadt fließt, getränkt wird. Neben dieser neuen Erde sieht man rechts unten die alte Erde, die gerade im Feuer vergeht – mit den Kontinenten, wie sie damals bekannt waren. Darüber – und nicht, wie sonst üblich, darunter – sieht man zwei gewaltige Gruppen von Erwählten und Verworfenen. Tausende von Menschen sind hier versammelt. Darüber befinden sich mittig in einer dritten Zone Christus als Weltenherrscher auf einem Thron und zu seinen Seiten je zwölf Älteste.

Unter dem Gemälde ist folgende Warnung angebracht: „Der König kommt. Er kommt zum strengsten Weltgericht. Ihr Sünder fürchtet euch. Er schont der Köngen nicht. Der Fromm kann allein mit Freuden hier bestehen. Der Böse aber muß ins ewge Feuer gehen“. Diese Texte wurden wahrscheinlich von dem Pfarrer Johann Eberhard Gottlob Schoder (1722-1768), der die Bilder seiner Kirche auch in seine Predigten mit einbezog, erdichtet bzw. ausgesucht.
Das ikonenhaft wirkende Tafelgemälde ist an der Westwand der Kirche oberhalb der Empore angebracht. Dort hängt das gewaltige Bild gegenüber dem Altar. Vor allem die blau-rote Farbgebung, der naive Grundton des Bildes und selbst Einzelheiten, wie etwa der Baldachin, erinnern an religiöse Kunstwerke Indiens. Ob es dazu in der Vita des Malers eine Erklärung gibt, wird man schwerlich herausfinden können. Sein Name war Johannes Stiegler, und bekannt ist ansonsten lediglich, dass er aus Prag stammt. Im Schnellverfahren hat er die gesamte Kirche von April bis Juli 1767 ausgemalt, und in der Umgebung von Weiler an der Zaber gibt es weitere Kirchen, in denen Stiegler tätig war, deren Arbeiten jedoch kaum an die Qualität des hiesigen Gemäldes herankommen. Da wir im Motiv der neuen und alten Erde ein Thema finden, das als typisch pietistisch bezeichnet werden darf, und der Charakter des Gesamtwerkes asiatische Bezüge aufweist, kann man durchaus einen Pietisten mit Missionserfahrung als Auftrags- oder zumindest Ideengeber vermuten.

Reinhard Lieske: Protestantische Frömmigkeit im Spiegel der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg, München 1973.
Hermann Aichele-Tesch: Kirche zum heiligen Kreuz in Weiler an der Zaber, Weiler an der Zaber 1997.
Werner Unseld: Barock und Pietismus – Wege in die Moderne, Ludwigsburg 2004.

 

tags: Württemberg, Pietismus, Volkskunst, Weltgericht, Tafelmalerei, Mission
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