Hermann Baumeister (1867-1944): Gemälde aus der Erlöserkirche in Stuttgart (1920)
Der Karlsruher Hermann Baumeister (1867-1944) schuf überwiegend Architektur- und Landschaftsbilder als Aquarelle. Sakralkunst ist in seinem Schaffen eher eine Ausnahme gewesen. Er hatte in Karlsruhe, in München und in Düsseldorf Malerei studiert und gilt als Vertreter der klassischen Schule.
Baumeister schloss im Jahr 1920 ein monumentales Ölgemälde mit einer imposanten Darstellung des Himmlischen Jerusalem ab. Nur bei bestimmten Lichteinfall zu sehen ist das Gemälde unten links erst signiert, anschließend datiert:
Im unteren Bereich des Bildes steigen Felsen nach oben, und auf einem verlassenen Plateau stehen drei leere Kreuze. Diese Stelle markiert Golgatha nach der Kreuzesabnahme. Darüber erscheint im Firmament, umgeben von einem Lichtkranz, die Stadt Gottes. Die Stadt in weißen Umrissen ist selbst eine Lichterscheinung und ihre Einzelheiten sind schwer zu erkennen, zudem alles in einen blauweißen Farbton getaucht ist. Aus dem massiven Fundament und den steil nach oben ragenden Stadtmauern erhebt sich eine zentrale Kuppel pyramidal aus der Stadt weiter nach oben. Aus der Kuppel dringt Licht und sie wird von einem schmalen Halbbogen umspannt. An den Umrissen ist abzulesen, dass sich die Architektur an den damals größten protestantischen Kirchenbau anlehnte, die St Paul’s Cathedral in London.
Das Bild befand sich einst in der evangelischen Erlöserkirche in Stuttgart. Es ist erstaunlich, dass man sich dort nach dem verlorenen Krieg, der Hungersnot und den Reparationszahlungen eine derart großformatige Malerei leisten konnte. Da das Motiv oder die Ausführung nach 1945 dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprach, gab die Gemeinde das Bild an das Evangelische Landeskirchliche Archiv ab, blieb aber immer Eigentümerin des Werks. Dort war es viele Jahre im Depot für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Nach Jahrzehnten änderte sich wiederum der Zeitgeschmack, jetzt fand man auf einmal ein neues Interesse an Kunstwerken, die den (zweiten) Krieg überstanden hatten. Da zudem die vereinbarte Leihfrist abgelaufen ist, gibt es Überlegungen, das Gemälde wieder in die Erlöserkirche oder dem angrenzenden Gemeindehaus aufzuhängen.
Edith Bowatzki: 75 Jahre Evangelische Erlösergemeinde Stuttgart, 1908-1983, Stuttgart 1983.
Horst Ferdinand: Der Landschaftsmaler Hermann Baumeister, in: Badische Heimat, 66, 4, 1986, S. 525-533.
Horst Ferdinand: Baumeister, Hermann. In: Bernd Ottnad (Hrsg.): Badische Biographien, neue Folge 3, 1990, S. 28-30.
Claus Bernet: Große Künstler, großartige Kunst, Norderstedt 2020 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 48).