Um das Jahr 1572 erschienen bei dem Pariser Verleger Guillaume Saulce (1530?-1582) in Zusammenarbeit mit Jacques Lalouette (1550?-1595?) insgesamt sechs 49,2 x 38,3 Zentimeter große Holzschnitte zur Apokalypse, die bis 1595 mehrfach aufgelegt und anschließend auch koloriert wurden. 2004 wurde eine Serie dieser kolorierten Stichen vom Musée National des Arts et Traditions Populaires (Marseille) zu einem beachtlichen Preis ersteigert (Inventarnummer 2004.38.16D), und seitdem erfahren die bislang kunsthistorisch kaum beachteten Illustrationen etwas mehr Aufmerksamkeit. Hier gezeigt wird allerdings der ursprüngliche Erstdruck aus der Französischen Nationalbibliothek Paris (Signatur: 12148/cb423914087).

Insgesamt wird auf dem letzten sechsten Schnitt ein Weltgericht präsentiert, mit Christus als Richter oben und dem Teufel unten, der gerade weggeschlossen wird (Binden Satans auf tausend Jahre). Als Bild im Bild erscheint rechts das Himmlische Jerusalem, das traditionell in der linken Bildhälfte bei den Geretteten und Auferstandenen zu finden wäre. Neben ihm stehen auf einem Plateau zwei Figuren: Johannes auf Patmos und der ihn begleitende Engel. Die Stadt ist mit Häusern, Straßen und einem Kanal im Raster strukturiert. Die Bauten zeigen große Individualität; man findet Reihenhäuser, Speicher, eine Kirche und Rundbauten. An dem vorderen Haupttor hält ein Engel Wache, was auch notwendig scheint, denn die Mauern sind niedrig und die Stadt macht keinen wehrhaften Eindruck, ganz im Gegenteil, an den Stadtmauern wuchert bereits das Unkraut. Mit dieser Stadt hat man nichts Neues schaffen wollen, sondern auf vertraute Sichtweisen Rücksicht genommen, vergleicht man sie etwa mit einer zeitgenössischen Arbeit von Gerhard Virendunck.

Jean Adhémar: Inventaire du fonds français, graveurs du seizième siècle, 2, Paris 1938.
Claus Bernet: Holzschnitte und Kupferstiche, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 3).