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Georg Friedrich Pfandzelt: Emporenbild aus Breitenholz (1747)

Die evangelische Gemeinde Breitenholz unweit von Tübingen war im 18. Jahrhundert stark vom württembergischen Pietismus geprägt. Es entstanden in der dortigen alten Kirche vierzehn Emporenbilder als Ölmalerei, von denen eines das Himmlische Jerusalem in einer Architekturform zeigt, wie man es in Bibeln des 17. und 18. Jahrhunderts vorfand: Johannes auf Patmos und ein Engel stehen über der Stadt auf einem Felsvorsprung und betrachten die Stadt unten, die eigentlich oben erscheinen müsste. Sie schwebt auf Wolken, die wie ein Fundament akkurat aneinander gesetzt sind. Im Inneren herrscht ebenfalls Ordnung: jeder Baum ist in genauem Abstand zu seinem Nachbarbaum gesetzt, fünfzehn grüne Hecken teilen die Stadt in Quadrate ein. Bei der Einteilung der Quadrate ist der Maler allerdings etwas durcheinander gekommen, links sind es mehr Felder als rechts, und ein Feld wird durch den Zionsberg verdeckt. Auf diesem thront, wie man es aus dem Darstellungstyp Vitam Aeternam her kennt, das Lamm Gottes. Auch bei diesem Lamm gab es Schwierigkeiten: es wurde mehrfach aufgemalt, übermalt, neu gemalt. In den fünf Toren sind, kaum sichtbar, Engelsfiguren gesetzt, die die gleiche Farbe wie die Umgebung haben, daher fast unsichtbar sind.

Die Malerei auf Holz, die von dem Pfarrer, dem Schultheiß, dem Lehrer, dem Wirt des Ortes sowie weiteren Breitenholzer Bürgern gestiftet wurden, ist äußerst einfach und wurde schnell angefertigt. Vermutlich war der Maler Georg Friedrich Pfandzelt (gest. 1765) aus Ulm, der zur gleichen Zeit in Ballendorf ein ähnliches Jerusalem malte. Viele Jahre war die Tafel Bestandteil der Empore, und zwar mittig an der Hauptseite auf Höhe der Orgel. Anfang der 1960er Jahre redete man der Gemeinde ein, die Kirche müsse wegen Baufälligkeit abgerissen werden, was dann auch tatsächlich geschah. Bei dieser Gelegenheit landete auch die historische Orgel auf dem Müll. Entstanden ist 1965 ein moderner Zweckbau, der so genausogut in Krefeld, Gelsenkirchen oder Dortmund stehen könnte. Fast alle historischen Gegenstände wurden zunächst aus der Kirche verbannt als wäre Tradition etwas, wofür man sich schämen müsste. Das hat zunächst auch die Malereien aus dem 18. Jahrhundert betroffen, für die man als „Bauernmalereien“ keine neue Verwendung fand. Glücklicherweise sind sie von Gemeindemitgliedern gerettet worden und kehrten langsam wieder in die Kirche zurück, zumindest zum Teil. Zunächst wurden sie einfach aufgehängt, da der leere Neubau ja genügend Platz bot, bis schließlich eine würdige Rahmung angefertigt wurde. Davon war auch das Jerusalems-Bild betroffen, welches zusammen mit einem weiteren apokalyptischen Bild (der ewigen Anbetung) eine prominente Hängung auf der Galerie bekam, was ja seiner einstigen Hängung nahe kommt.

Inzwischen ist auch das Landesmuseum Stuttgart auf die Malereien aufmerksam geworden und lieh sich zu Sonderausstellungen immer wieder Exemplare aus. Leider hat der brutale Ausbau (mehr ein Herausreißen) von 1964 und die unsachgemäße Lagerung auf einem Dachboden die Malereien beschädigt und von Holzwurm befallen lassen, so dass ich der Gemeinde riet, dass sich das Museum in Zukunft für jede Leihgabe zu einer Restaurierung verpflichten sollte. Die Geschichte der Bilder geht bis in die letzten Jahre weiter: Um 2018 hat man auf dem Dachboden des Fruchtkastens von Herrenberg die ehemalige Kanzel der Kirche mit weiteren Ölmalereien gefunden. Die Kanzel wurde der Gemeinde angeboten und hätte den originalen Bildbestand komplettiert, doch der Gemeinderat von Breitenholz hat sich gegen die Aufnahme ausgesprochen.

Eberhard Gutekunst: ‚Triumph Victoria, Jesus Gloria!’ Radikale Pietistinnen im 18. Jahrhundert, in: Herd und Himmel. Frauen im evangelischen Württemberg, Stuttgart 1998, S. 155-158.
Renate Föll: Sehnsucht nach Jerusalem. Zur Ostwanderung schwäbischer Pietisten, Tübingen 2002.

 

tags: Pietismus, Württemberg, Volkskunst, Vitam Aeternam, Gartenanlage, Barockgarten
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