Mit seiner Spezialisierung auf Ornamentik und dekorative Malerei stand Otto Gussmann inmitten der Bestrebungen um eine neue Raumkunst, die ein um 1900 aktuelles Thema der Kunsterneuerung gewesen war. Der Weg der Kunst sollte wegführen von den aus der Romantik gekommenen Neostilen sowie der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts.
Otto Gussmann (1869-1926) wurde nach Jahren als Dekorationsmaler in Stuttgart und Berlin 1897 Professor an der neu gegründeten Ornamentklasse an der Königlichen Akademie für Bildende Künste in Dresden. Dort wurde er Gründungsmitglied der expressionistischen Bewegung „Dresdner Brücke“.
Mit 32 Jahren begann Gussmann die neue evangelische Kirche in Hainsberg, einem Stadtteil des sächsischen Freitals, gleichsam als sein Jugendwerk in Anlehnung an die präraffaelitische Malerei Englands auszumalen. Der Kirchenvorstand hatte Gussmann als Grundidee für die Gestaltung den Bibelvers Lukasevangelium Kap. 18, Vers 31 vorgegeben: „Sehet, wir gehen hinauf nach Jerusalem und es wird alles vollendet werden“.
Zur Einweihung der neuen Kirche im November 1911 war das große Deckengemälde vom Himmlischen Jerusalem an der Kuppel vollendet. Es stellt in Kreisform die zwölf Tore der Himmelstadt dar, dazwischen die Wächterengel. Über diesen erhebt sich ein Illusionshimmel, in dessen Mitte ein Kreuz mit dem Christuslamm schwebt. Die Schrift an den die Kuppel umgebenden Balken unterstreicht das Motiv: „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“.
Das für die Zeit ungewöhnliche Werk fand anfänglich keine Begeisterung, schon gar nicht bei dem Hainsberger Pfarrer und seinem Kirchenvorstand, dem Gussmann schrieb: „Wenn nur ein einziges Gemeindeglied jene (künstlerische) Sprache versteht und auf sich wirken lässt, dann ist es Pflicht, dieselbe zu verwenden und nicht jene, die von vornherein darauf verzichtet, irgendeine Wirkung auszuüben“.
Kurt Proksch: Otto Gussmann, Dresden 1989.
Adolf Smitmans: Otto Gussmann – Maler der Moderne? In: Constanze Peres, Diether Schmidt (Hrsg.): Erneuerung als Tradition. 100 Jahre Dresdner Kunst und Kunstakademie im (inter)nationalen Zusammenhang, Amsterdam 1997, S. 56-69.