MS Pellechet 4245: „Pélerinage de la vie humaine“ des Guillaume de Digulleville (1486)
In einer spätmittelalterlichen Ausgabe von Guillaume de Digullevilles „Pélerinage de la vie humaine“ von 1486 aus Lyon, gedruckt von Mathieu Husz, ist durch eine senkrechte Linie das Bild in zwei Hälften geteilt. Links befindet sich gewissermaßen die „Verkündigung“ der Gottesstadt und rechts der gewundene Pilgerweg in die Himmelsstadt, was bereits die Erzählung des Romans ausmacht. Links ist die Stadt in einem runden Spiegel dargestellt, rechts im Hintergrund mit einer hohen Stadtmauer und einigen Türmen. Dort klingt auch das Motiv der Himmelsleiter, das Civitas-Dei-Motiv und das Zweiwegebild mit an. Dabei entspricht das Himmlische Jerusalem im rechten Bildhintergrund den Einzelheiten der Stadtsilhouette im Spiegel links. Links ist gewissermaßen der Beginn der Geschichte dargestellt: Der Pilger schläft, im Traum erscheint ihm das Neue Jerusalem. Rechts ist das Ende der Geschichte dargestellt: Die zukünftige Stadt am Ende eines Lebens. Gleichzeitig vereinigt der Künstler einige Szenen, denen im Roman ausführlich Raum gegeben wird: Einige Mönche versuchen hartnäckig, in die heilige Stadt zu gelangen, aber nicht auf dem geraden Weg, sondern mittels merkwürdiger Abkürzungen. So versuchen sie, die Stadtmauern mit Leitern, Seilen und selbstgebastelten Flügeln zu überwinden.
Dieser einfache Holzschnitt auf Planche A IV ist eine der letzten mittelalterlichen Ausgaben der einst so überaus beliebten „Pélerinage de la vie humaine“, die anschließend so gut wie nicht mehr ins Bild gesetzt wurde. Vergleichbar ist sie nur noch mit einer Haarlemer Ausgabe, die bezeichnenderweise im gleichen Jahr angefertigt wurde. Zugleich ist es eine der ganz wenigen Ausgaben, die nicht koloriert wurden und somit auch für einkommensschwächere Schichten attraktiv wurde. Die Ausgabe ist Teil eines Werkes der Pariser Bibliothek Arsenal (Signatur: MS Pellechet 4245), die inzwischen der Französischen Nationalbibliothek (Paris) inkorporiert wurde.