Gustav Sigismund Peters (1793-1847): Zweiwegebilder aus den USA (1820, um 1825, um 1850)

Das ländliche Pennsylvanien mit seiner Kultur der Amish und des Pennsylvania-Dutch war im 19. Jahrhundert stark neupietistisch geprägt. Nicht wenige Zweiwegebilder gelangten über pietistische Kommunikationsstrukturen in die Neue Welt und wurden bald auch dort produziert. Fast immer handelte es sich um einfache Holzschnitte, die mit leuchtenden Wasserfarben koloriert wurden. Künstler und Verleger sind meist unbekannt. Die deutschsprachigen Erklärungen lassen die Vermutung zu, dass diese Bilder im Umkreis der deutschsprachigen Emigranten in die USA gebracht wurden oder dort von ihnen angefertigt wurden. Die Bildkomposition basiert eindeutig auf europäischen Vorlagen aus dem schweizerischen Raum, vor allem aus Bern. Die einfache Schnitttechnik und die relativ grobe Gestaltung der Architektur deuten dann eher auf amerikanische Druckpressen, wie sie in Ephrata, Allentown, Harrisburgh oder Bethlehem in Gebrauch waren.

Bei dem ersten Beispiel ist eine Herkunft aus Lancaster gesichert, der Titel des Werkes lautet: „Das ewige Leben und die ewige Verdammniß“. Es wurde 1820 von dem Drucker und Buchhändler Herman W. Villee (1789-1842) produziert, der aus Frankreich in die USA eingewandert war und mehrere Sprachen beherrschte, u.a. auch Deutsch. Für den künstlerischen Teil war Gustav Sigismund Peters (1793-1847) verantwortlich. Dieser stammt aus Langebrück, heute ein Teil von Dresden. Da er in den USA schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts künstlerisch aktiv war, nimmt man eine frühe Auswanderung nach Nordamerika um spätestens 1810 an. Welche europäische Zweiwegesbilder er damals schon kannte oder vielleicht sogar im Reisegepäck hatte, kann nicht gesagt werden. In Pennsylvanien war er bald der führende Lithograph von Farbdrucken und betrieb eine eigene Druckpresse, bis 1827 in Carlisle, dann in Harrisburgh. Seine Werke erschienen überwiegend in deutscher Sprache, es bestanden Kontakte in die Amish-Gemeinden, denen Peters aber selbst nicht angehörte, sondern es waren eher geschäftliche Verbindungen.
Bereits bei diesem frühen Beispiel findet man die erwähnten bunten, fast schon neonartigen Farben, dann das markante Tor mit der Christusfigur hinter zwei weiteren Toren sowie vor allem die lange Stadtmauer, die im oberen Drittel des Bildes komplett separiert und ihm dem Himmlischen Jerusalem vorbehält, mit Bauten, dem Lebensbaum, Engel, Gestirnen. Gleichzeitig wurde diese Fassung auch über den Verleger Dekherr in Montbélirad vertrieben, also in Mömpelgard, das damals noch größtenteils deutschsprachig war. Auf dieser Parallelfassung wurde allerdings die Überschrift weggelassen.

 

Die beiden folgenden Arbeiten stammen beide von etwa 1825, wobei der Druck links der Presse in Allentown zugeordnet werden kann (heute Besitz der New York Public Library, Signatur 1825 09-134). Die rechte stammt von J. G. Struphar aus Annville, PA. Über das Eingangstor wurde ein sechseckiger Stern gesetzt – das ist neu. Von dieser Variante kennt man solche in englisch, oder wie hier, in deutscher Sprache. Sie wurden laut Signatur, nicht von einem „Orphan M. Peters“, sondern von Gustav Sigismund Peters in Harrisburgh vertrieben. Beide Fassungen halten sich eng an die Vorlage von 1820, bis hinein in die naturalistische Kolorierung, wie etwa der grüne Lebensweg, die roten Dächer oder die gelbe Sonne.

 

Im Vergleich zu den bisherigen europäischen Varianten dieses Zweiwegebild-Typus fallen immer wieder die leuchtenden Farben ins Auge. Hier ist eine orangenfarbige Mauer mit schwarzen Quadersteinen bedruckt, die an Edelsteine erinnern sollen. Die linke und rechte Seite der Stadt sind in ihrer Bebauung annähernd gleich. Markant sind zwei langgestreckte Bauten mit jeweils einer giftgrünen Fenstergalerie. Das Zweiwegebild mit deutscher Beschriftung soll um 1830 in Harrisburgh entstanden sein. Das insgesamt 30 x 37 Zentimeter große Blatt kam 1920 als Teil des Joseph E. Temple Fund an seinen heutigen Aufbewahrungsort, dem Philadelphia Museum of Art.

 

Die amerikanische Fassung des Zweiwegebildes erscheint mitunter in Kontexten, die man kaum vermutet. So wurde auch einmal eine Kinderzeichnung auf Basis von Tinte und Wasserfarben angefertigt, schätzungsweise um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Experten, die das Original vor sich hatten, beurteilen es explizit als nach Peters gearbeitet. Die handschriftlichen deutschsprachigen Beschriftungen sind identisch mit den gedruckten Vorlagen. Vor allem im unteren Bereich ist das 35 x 46 Zentimeter große Blatt ähnlich wie die Vorlagen, hier vor allem dominieren witzige Figuren. Anders im oberen Bereich mit dem Himmlischen Jerusalem: die Handschrift ändert sich, die Zeichnungen werden sicherer und vor allem geradliniger. Unten wurden die Bildelemente verkürzt und vereinfacht eingesetzt, oben hingegen konnte man der Versuchung nicht widerstehen, sich ein originelles, aufregendes Jerusalem vorzustellen. Von links nach rechts finden sich Besonderheiten: Ganz außen ein blauer Kuppelbau in Form einer Synagoge oder Moschee, anschließend ein Turm mit einem Ziffernblatt (auf der es drei Uhr ist), dann der Lebensbaum als Nadelbaum, die Beschriftung Das neue Jerusalem direkt über dem Haupttor (mit einem Christus, den wiederum Kinderhände eingefügt haben), sodann eine Galerie mit extrem fantasiereichen Türmen, die jedem Dadaisten zu Ehre gereichen würden.
Die Zeichnung kam als Geschenk von Herbert Waide Hemphill in das Smithsonian American Art Museum nach Washington. Vielleicht waren an der Ausfertigung Vorfahren oder der junge Herbert Waide Hemphill selbst daran beteiligt.

 

tags: Volkskunst, Neupietismus, Kupferstich, Pennsylvanien, USA, The Library Company of Philadelphia, New York Public Library, Zweiwegebild
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