G. A. Steinmetz: „Die Herabkunft des Königs aller Könige vom Himmel“ (1769) und Kopien

Erstmals 1769 erschien in Nürnberg eine pietistische Schrift mit einer Farbillustration (zwischen S. 16 und 17), die noch sehr bekannt werden sollte. Sie gehört zu dem Werk „Kurzgefaßte Grundlehre des berühmten Württembergischen Prälaten Bengels betreffend den Schauplatz der Herabkunft Jesu zum Gericht des Antichrists vor dem jüngsten Tag“ von einem „Halatophilum Irenaeum“. Dahinter versteckte sich der württembergische Theologe Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782). Genau dieser im Buchtitel genannte Schauplatz wird auf dem Bild gezeigt.

Überschrieben ist er handschriftlich mit „Ehre nehmet ihr, und die Ehre von Gott fürchtet ihr nicht“, unterschrieben von G. A. Steinmetz. Vermutlich handelt es sich um ein Mitglied der Nürnberger Zinngießer-Familie Steinmetz, die dort im 18. Jahrhundert nachgewiesen ist.

 

Der Pietismusdruck von 1769 wurde unmittelbar danach großformatig in Öl ausgeführt. Die Konzeption der Figuren und Szenen hält sich eng an die Vorlage. Leider ist das Ölgemälde in keinem guten Zustand, Einzelheiten lassen sich nur schwerlich erkennen. Am besten kann man noch die Figur auf einem Hügel sehen, hier offensichtlich ein Engel. Die Stadt darunter besteht vor allem aus der Ummauerung und acht Tortürmen mit Schutzengeln. Das Innere der Stadt scheint leer zu sein. Es entstand 1770 von einem unbekannten Meister im Andenken an Johann Martin Decker und seine Gattin Anna Maria aus Altenburg. Das Werk ist heute Teil der musealen Sammlung der evangelischen Landeskirche in Württemberg, die sich in Stuttgart befindet. Es ist dort ein Depositum einer evangelischen Kirchengemeinde bei Reutlingen.

 

Aus dieser Zeit hat sich auch ein hochwertiger Kupferstich als Einzelblatt erhalten. Vermutlich gehörte er zu einem Druck, der nicht oder noch nicht bekannt geworden ist. Die Formation der Wolken und kleine Details zeigen an, dass diese Arbeit nicht mit der 1769er-Fassung identisch ist, sondern bereits eine frühe Kopie, was die Popularität des Bildes belegt.

 

Um 1850, also fast einhundert Jahre später, erschien der Kupferstich unter dem neuen Titel „Die Herabkunft des Königs aller Könige vom Himmel“. Unter diesem Titel wurde die Bildkonzeption bekannt. Es ist eine Fassung von Johann Heinrich Renz (1799-1868), der mehrere Kopien dieses Stichs anfertigte, von denen einige auch koloriert wurden. In dem Bild sind neben biblischen auch esoterische und mystische Vorstellungen aufgenommen worden. So befindet sich neben der Stadt links oben eine Figur, die nicht näher identifiziert werden kann. Sie steht auf einer Sonne und scheint Flügel zu haben – möglicherweise ist es ein Engel. Christus kann es nicht sein, denn er befindet sich schon auf dem Zionsberg in der Stadt und ist, wie auf dem Original, sogar nochmals in dem Reiter in der Bildmitte dargestellt.

 

Eine andere frühe Fassung von „Die Herabkunft des Königs aller Könige vom Himmel“ ist Teil der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, Nr. 92.656. Das Himmlische Jerusalem befindet sich links auf einem Zionsberg. An den vier Ecken der Stadtmauer ist jeweils ein Engel positioniert.

 

Eine wenig später entstandene Fassung, überschrieben mit „Die Herabkunft des Königs aller Könige vom Himmel“, erschien ebenfalls bei dem Maler Johann Heinrich Renz in Stuttgart (obere Rosenstraße 25). Die Stadt ist jetzt auf einmal nicht mehr quadratisch, die Engel an den Ecken fehlen ebenso wie die Mauern. Auch diese Fassung ist Teil der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, Nr. 92.043.

 

Mindestens eine Variante entstand in den USA und wurde am 31. Dezember 1868 als Lithograph fertig gestellt. Damals wurden Werke aus Europa lediglich kopiert und in Nuancen abgeändert, meist vereinfacht, später sollte es umgekehrt sein. Der Titel „Die Herabkunft des Königs aller Könige vom Himmel“ wurde zu „Type of the Messiah“ geändert. Die Darstellung der Stadt ist schemenhafter und hat einen Zug ins Abstrakte. Deutlich zu sehen sind die drei Tore an der Vorderseite, während die Längsseite mehr als doppelt so lang wie die Breite ist. Eigenartig sind auch die Reihenhäuser, die im Inneren acht identische Baublöcke bilden. Die Stadt ist durch eine vorgelagerte Felswand geschützt, wozu wohl der Grand Canyon die Vorlage abgab. Gesteigerte Dramatik verleiht des Weiteren die von Gog und Magog belagerte Stadt, die von einem Staubkreis umzogen ist.

 

Die letzte vereinfachte Fassung in der Renz-Nachfolge stammt von etwa 1875 (ebenfalls Landeskirchliches Archiv Stuttgart). Da die Stadt den gleichen Farbton wie die Umgebung besitzt, kann man sie schwerlich erkennen, sie ist fast unsichtbar in die Berglandschaft eingefügt. Die Stadtmauern mit ihren Zinnen sind genauso weggelassen wie die Tore in das Innere; auch die lange Reihe der Pilger findet sich nicht mehr.

Martin Scharfe: Evangelische Andachtsbilder. Studien zu Intention und Funktion des Bildes in der Frömmigkeitsgeschichte vornehmlich des schwäbischen Raumes, Stuttgart 1968.
Eberhard Gutekunst: ‚Triumph Victoria, Jesus Gloria!’, in: Herd und Himmel, Stuttgart 1998, S. 155-158.
Renate Föll: Sehnsucht nach Jerusalem. Zur Ostwanderung schwäbischer Pietisten, Tübingen 2002.

 

tags: Pietismus, Neupietismus, Schwaben, Württemberg, Kupferstich, Landeskirchliche Archiv Stuttgart, Library of Congress, USA
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