Seit 1994 lebte der ausgebildete Schneider Friedemann Liebisch (1929-2017) als freischaffender Künstler in Aidenbach (Niederbayern) und engagierte sich in der dortigen evangelischen Kirchengemeinde. In Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand reifte der Plan, anspruchsvolle Gemälde für den Innenraum der Kreuzkirche, einem einfachen Nachkriegsbau, zu malen. Entstanden sind drei großformatige, vom Surrealismus beeinflusste Bilder. Die Kirche birgt darüber hinaus noch weitere Zeichnungen dieses Künstlers, so dass sie auch schon einmal als Liebisch-Kirche bezeichnet wurde.
An der fensterlosen Westseite hängt das größte Werk, das Liebisch bislang gemalt hatte: „Apokalypsis“. Ein Regenbogen zieht auf, während Jerusalem aus der Höhe herab kommt. Es besteht aus einem architekturalen Gewebe, in das goldene Torbögen, Perlen und farbige Edelsteine eingeflochten sind. Im Zentrum hat Liebisch sieben goldfarbene Rundbogentore aneinander gereiht. Liebisch erklärt das wie folgt: „Die Stadt ist im Entstehen, gerade waren es fünf Tore, jetzt sind es sieben, und bald sind es zwölf Tore. Die Stadt ist eine Vision, ich will das Unfertige, das Transparente, das Noch-Nicht-Seiende andeuten. (…) In verschiedenen Blautönen begegnen sich Verheißung und Erfüllung. Das Heil der Menschen liegt im Kreuz, das ist die Botschaft dieses Bildes, das in seiner Kreuzesform auf den Namen der Kirche anspielt. So geht das Kreuz mitten durch die Stadt, aber es ist nicht das Schmerzenskreuz, sondern ein Kreuz der Erlösung. Es ist eschatologische Geschichte. Daher ist es auch nicht in der Stadt zu finden, bildet aber gleichsam seine Form“. Andere sehen im Bildzentrum ein grünes Boot samt Heck und Bug, welches sich im Wasser spiegelt. Das Motiv einer Schiffsreise zum Himmlischen Jerusalem aus dem späten Mittelalter klingt hier an (Johann Geiler von Kaysersberg), ebenso das Kirchenlied „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ von Martin Gotthard Schneider (1960).
Friedemann Liebisch: Nicht Formen färben, sondern Farben formen, in: Stefan Schütze (Hrsg.): Heimat Vilstal, Velden 2007, S. 150-151.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem in Deutschland, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 27).