Lyoner Apokalypse MS 5091 (um 1475)

In Frankreich entstanden auch im 15. Jahrhundert mehrere Apokalypse-Handschriften. Ein schönes Beispiel ist die Pretiose MS 5091 aus der Pariser Bibliothèque de l’Arsenal, die inzwischen der Französischen Nationalbibliothek inkorporiert wurde.
Beide Darstellungen, die das Himmlische Jerusalem zeigen, sind jeweils in drei Zonen unterteilt. Zunächst gibt es die irdische Zone: Vor Johannes breitet sich eine freie hügelige Landschaft aus, deren Weite als typisch für Werke der Frührenaissance gilt, was durch die zurückhaltende Kolorierung mit Wasserfarben unterstrichen wird. Daneben gibt es eine Stadtzone mit dem Himmlischen Jerusalem. Auf fol. 32v befindet es sich noch „im Anflug“.

 

                 MS 5091, fol. 33v

Auf der folgenden Abbildung auf fol. 33v ist die Stadt „gelandet“. Diese ist mit blassen Weiß- und Beigetönen und mit niedrigen Mauern recht unspektakulär gehalten. Die Wächterengel wurden genauso weggelassen wie Perlen oder Edelsteine, allein ein kleiner Engel mit dem Maßstab an der Stadtmauer verweist auf das Transzendente der Szene, wenn es nicht die dritte Zone gäbe. Es ist ein Blick in den sich öffnenden Himmel, dessen rotgoldene Wolken noch an eine mittelalterliche Mandorla erinnern. In ihr erscheint Gott auf einem Thron, der im zweiten Bild vom Agnus Dei flankiert ist.
In der Bildfolge und in diesem Aufbau, aber auch in Details wie den Turmdreiergruppen auf fol. 33v gibt es hier deutliche Ähnlichkeiten mit der Lyoner Apokalypse MS 439, die noch schematischer gezeichnet ist und etwas von dem Geist der Gotik verspüren lässt. Das ist bei dieser Apokalypse nicht mehr der Fall.

Samuel Berger: La Bible française au Moyen Age: étude sur les plus anciennes versions de la Bible écrites en prose de langue d’oil, Paris 1884.
Claus Bernet: Miniaturen des Mittelalters, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 28).

 

tags: Lyon, Frankreich, Frührenaissance, Wasserfarben
Share: