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Tanner-Apokalypse (1250 bis 1255)

Auf die Jahre zwischen 1250 und 1255 kann die Entstehung der Apokalypse MS Tanner 184 eingegrenzt werden. Sie befindet sich heute in der Oxforder Bodleian-Bibliothek, wo man sie nach dem Verkäufer, einem Thomas Tanner (1674-1735), benannt hat.
Entstanden ist sie aber nicht in Oxford, sondern in London. Ihre Motive sind ähnlich wie in den anderen zeitgenössischen englischen Apokalypsen gestaltet, aber die Farbgebung ist wesentlich dezenter und erinnert in der Gestaltung mitunter an eine Grisaille. Viele der Miniaturen machen einen flüchtigen, wenn nicht gar unfertigen Eindruck, so auch fol. 74, 75 und 76. Hier wurden lediglich die Zeichnungen koloriert und der Hintergrund, der immerhin gut die Hälfte jeder Miniatur ausmacht, ungestaltet belassen. Auch die Farbauswahl ist monoton, wie die gesamte Handschrift kennt der Illustrator nur einen Blau- und Rotton. Manches spricht dafür, dass diese Handschrift nicht vollendet wurde, was für erstaunlich viele Handschriften des Mittelalters zutrifft. So wurden beispielsweise die Zinnen des Himmlischen Jerusalem unbearbeitet gelassen, die Tore sind lediglich schwarze quadratische Löcher, womit der Bau wie ein Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert aussieht. Dennoch gilt Tanner als eine frühe Handschrift, die mache Szenen wiedergibt, wie sie in kurz darauf folgenden Handschriften zu finden ist. Nehmen wir nochmals den markanten Bau Jerusalem auf fol. 75 – er findet sich in ähnlicher Weise auch in der Lambeth Apokalypse (fol. 38r), der Burckhardt-Wildt-Apokalypse und natürlich in der Cambrai-Apokalypse (fol. fol. 104). Ebenso ist seit der Entstehungszeit von Tanner 184 bei englischen wie auch französischen Apokalypsehandschriften die Darstellung Jerusalems auf drei Miniaturen, wie wir sie hie vorfinden, fast zu einem Kanon geworden.

 M. R. James: The Apocalypse in art, London 1931.
Frederik van der Meer: Apocalypse: visions from the Book of Revelation in western art, Antwerpen 1978.
Claus Bernet: Gotik, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 30).

 

tags: Oxford, Bordleian Library, England, Gotik, Mittelalter
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