Suche
Close this search box.

MS 394 und MS Unv. Coll. 100: Apokalypsehandschrift (um 1310/um 1310)

Um 1300 entstand die Schrift, die heute in der Parker Library des Corpus Christi College in Cambridge als MS 394 aufbewahrt wird. Es handelt sich um eine frühe Apokalypsehandschrift in anglonormannischer Prosa, in Farbwahl, Stilistik und Auswahl der Motive ähnlich gehalten wie MS 57. Im Jahr 1439 wurde sie von Thomas Markaunt (um 1382-1439) zusammen mit 75 weiteren Werken für das College angekauft. Nur fünf dieser Werke haben in Cambridge die Zeiten überstanden, der Rest ging im 16. Jahrhundert verloren.
Der Miniaturist zeigt auf diesen Ausschnitten wenig künstlerisches Feingefühl, seine Zeichnungen erscheinen behäbig und ungelenk. Der beste Beleg sind fol. 70r und 70v: Das Himmlische Jerusalem ähnelt einer Kinderzeichnung. Der Illustrator verwendete keine Mühe darauf, die kahle Mauerfläche irgendwie ansprechend zu gestalten, oder Details an dem Tor oder den drei Zeltdächern (Türme?) anzubringen.

 

Nicht einmal die Gesichter der Figuren sind fertiggestellt worden, was auf fol. 70v deutlich wird. Hier wird alles nur noch viel schlimmer. Was die Vorlage zu dem unförmigen, schiefen Gebäude mit dem schwarz-weiß gestreiften Band im unteren Bereich abgab, vermag man nicht zu sagen. Die rechte Seite des Baues hat noch nicht einmal einen eigenen Abschluss, sondern wird vom Bildrahmen gehalten. Die Farben – ohne Abstufungen oder Nuancen aufgeschmiert – sind zum Teil am Abblättern (so besonders der blaue Hintergrund) und überragen zudem häufig die Zeichnung (gut zu sehen am Grün des Rundbogenfensters).

John Charles Fox: The earliest French apocalypse and commentary, in: The Modern Language Review, 7, 1912, S. 447-468.
Robert Freyhan: Joachism and the English apocalypse, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 18, 1955, S. 211-244.
Anne-Marie Bouly de Lesdain: Les manuscrits didactiques antérieurs au XIVe siècles. Essai d’inventaire, in: Bulletin de l’Institut de Recherche et d’Histoire des Textes, 13, 5, 1964, S. 57-79.
Laing, Aileen Hyland: The Corpus-Lambeth stem, in: Manuscripta, 21, 1977, S. 17-18.
Richard Kenneth Emmerson, Suzanne Lewis: Census and bibliography of medieval manuscripts containing apocalypse illustrations c. 800-1500, in: Traditio, 41, 1985, S. 370-409.

 

MS Unv. Coll. 100 ist eine Kopie von MS 394, die vermutlich kurz darauf, um 1310, hergestellt wurde. Sie stammt aus der Bibliothek der University of Oxford. Auch dieses Werk ist, wie sein Vorbild, in anglonormannischer Prosa geschrieben und zeigt die in MS 394 noch getrennten Bilder gemeinsam auf fol. 86. Bei der Bildkomposition hat sich der Kopist eng an die Vorlage gehalten, im Detail verwendete er mehr Mühe Ausschmückung: so wurden großen Teilen der Mauern nun Quadersteine eingezeichnet, die zentrale Tür steht mit zwei Flügeln offen und die Dachzone darüber besitzt jetzt drei Giebel. Weggefallen hingegen ist der tiefblaue Hintergrund.

 

tags: Gotik, Mittelalter, Parker Library, Cambridge, University Library of Oxford
Share:
error: