Handschrift der Apokalypse MS Douce 180 und Apokalypse Par (1254-1272)

Die Handschrift MS Douce 180 zählt zu den englischen Apokalypsen der Gotik und entstand zwischen 1254 und 1272 als Auftragsarbeit für den zukünftigen englischen König Edward I. (1272-1307). Sie zeichnet sich durch einen lebhaften Erzählstil und ihre motivischen Besonderheiten aus. Von den vier Miniaturen, die in der „Douce de Oxford“ genannten Apokalypse das Himmlische Jerusalem zeigen, ist lediglich die erste zumindest in Teilen illustriert worden (fol. 90r). Von wem, ist nicht bekannt.

Johannes erscheint auf dem nächsten Bild (92r) von der Vision derart geschockt, dass er von dem Engel die zwölf Stufen bis zu den drei goldenen Toren der Stadt getragen werden muss. Die Physiognomien beider Figuren sind gleich, da wir in dieser Miniatur eine Fortsetzungsgeschichte erzählt bekommen. Der Engel ist mit dem Tragen von Johannes vollauf beschäftigt, er musste sogar das Rauchfass unten abstellen. Eine weitere Besonderheit ist die ausladende mittelalterliche Prunktreppe zu den drei goldenen Toren, was zeigt, dass es die Vorstellung der breiten Treppe schon im Hochmittelalter gab, wenngleich sie erst viele Jahrhunderte später phasenweise populär werden sollte.

Diese Szene von fol. 92r wird im Prinzip auf fol. 93r wiederholt, wobei Johannes nun aber auf den Beinen ist und der Engel mit einem Stab die Maße der Stadt berechnet. Über den Stadttoren, die weiterhin geschlossen sind, erscheint in einem Tondo das Christuslamm. In dieser Art und Weise wäre Jerusalem aber nicht abschließend präsentiert worden; wie bereits die Miniatur zuvor ist diese Zeichnung nicht abgeschlossen, auch fehlt noch die Kolorierung. Beispielsweise mag mag sich fragen, was auf der ausladenden Treppe und darunter noch vorgesehen sein mag.

Die letzte Miniatur (linker Ausschnitt von fol. 96r) zeigt das Weltgericht: Unter einem goldenen Regenbogen öffnen sich die Gräber, und die nackten Toten versuchen, sich notdürftig mit Leichentüchern zu bedecken. Diejenigen Heiligen, die als Märtyrer direkt in den Himmel gelangt sind, befinden sich links bereits in der Gottesstadt. Sie sind erlöst, doch ihre Mimik zeigt Angst und Schrecken. Andere sind noch unter dem Regenbogen, ihnen steht das Gericht bevor. Eigenartiger Weise haben gerade diese Menschen keine Haare, was möglicherweise ein weiterer Hinweis auf die fehlende Fertigstellung dieser Miniaturen ist, welche in der Bodleian Library in Oxford aufbewahrt werden.

William Owen Hassall, Francis Douce: The Douce Apocalypse, Oxford 1976.
Peter K. Klein: Endzeiterwartung und Ritterideologie. Die englischen Bilderapokalypsen der Frühgotik und MS Douce 180, Graz 1983.

 

Aus der gleichen Zeit wie MS Douce 180 stammt eine Apokalypse, die unter der Signatur MS Latin 10474 in der Französischen Nationalbibliothek zu Paris aufbewahrt und gemeinhin als Apokalypse Par bezeichnet wird. Apokalypse Par wurde mit großer Wahrscheinlichkeit sogar in der gleichen Schreibstube wie Douce 180 gefertigt, oder ein fähiger Kopist kannte diese Handschrift gut, das zeigen nicht allein die beiden Miniaturen zum Himmlischen Jerusalem. Die Illustrationen zum Himmlischen Jerusalem auf fol. 45 und 45v dieser Ausgabe blieben ebenfalls ohne Kolorierung. Fol. 45 entspricht dabei fol. 90r und zeigt, wie Christus und die Stadt dem schreibenden Johannes erscheinen. Fol. 45v (fol. 92r) zeigt, wie der Engel dabei ist, die quadratische Stadt mit ihren drei sichtbaren Toren auszumessen. Auch hier trägt der Engel den Johannes auf seinen Schultern. Man wüsste gerne, wer diesen Einfall hatte und was er damit sagen wollte – in der Johannesapokalypse wird nicht davon berichtet, und auch die anderen ca. 2.000 erhaltenen Darstellungen Jerusalems aus dem Mittelalter kennen keinen Huckepack-Johannes. Einzige Ausnahme: die etwa zur gleichen Zeit entstandene Paris-Apokalypse.

George Henderson: An Apocalypse manuscript in Paris. B. N. MS Lat. 10474, in: Art Bulletin, 52, 1, 1970, S. 22-31.

 

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