John W. Barber (1798-1885): Zweiwegebilder aus den USA (1. Hälfte 19. Jh.)

Gleichzeitig zu europäisch geprägten Beispielen des Zweiwegebildes bildete sich im urbanen Milieu der USA auch eine mehr und mehr eigenständige Interpretation des Zweiwege-Motivs heraus, zunächst in Pennsylvanien. John W. Barber (1798-1885) in New Haven war daran maßgeblich beteiligt. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte er sein eigenes Zweiwegebild als scharfe Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen der USA: Die meisten kommen vom Weg ab, nur sehr wenige Wanderer gelangen in das Neue Jerusalem oben rechts. Auf einer Vorstudie, versehen mit handschriftlichen Anmerkungen, aus denen hervorgeht, dass Barber schon im Alter von 18 Jahren an diesem Thema arbeitete. Die erste Fassung von „Miniature of the World in the 19th Century“ zeigt Barbers Jerusalem zunächst aus vier Elementen bestehend: eine Stadtmauer mit Tor im Vordergrund, seine typischen Wohnbauten mit Zacken im Dachbereich, einen zweistöckigen Hauptbau mit Kuppel und eine strahlen Sonne im Hintergrund.

 

Der spätere Druck erfolgte dann in Hartford (Connecticut) 1822 und stellt die Stadt anders dar: die Stadtmauer wurde gestrichen, so dass man die vier Hauptgebäude besser sehen kann, die in ihrer Anordnung (sicher ungewollt) etwas an das Biebricher Schloss erinnern. Ebenfalls gestrichen wurde die strahlende Sonne, an deren Stelle prangt nun ein Dreck als Trinitätssymbol. Jetzt führt ein Hauptstrahl aus der Stadt in die Welt nach links unten, auf dem „The Gospel Light“ steht. Neu hinzugekommen ist auch eine ovale Plakette, die das Thema deutlicher macht: „The New Jerusalem“.

 

Die bekannteste Version ist „Broad and Narrow Road“, die von Barber um 1840 geschaffen wurde. Sie ist erstmals koloriert. Seine Version des Zweiwegebildes weist auch freimaurerische Details auf; das Himmlische Jerusalem oben rechts ist in neoklassizistischer Architektur gehalten wie die Regierungsbauten der noch jungen USA.

Martin Scharfe: Zwei-Wege-Bilder, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 90, 1990, S. 123-144. 
Stefan Brakensiek, Irina Rockel: Alltag, Klatsch und Weltgeschehen. Neuruppiner Bilderbogen, Bielefeld 1993.
Erdmute Nieke: Himmlische Briefe und höllische Bilder, in: Ostprignitz-Ruppin-Jahrbuch, 9, 2000, S. 164-173.
Erdmute Nieke: Religiöse Bilderbogen aus Neuruppin, Frankfurt am Main 2008.

 

Zum Künstler:

Barber war der typische Self-Made-Man seiner Zeit, er arbeitete als Historiker, Verleger, Drucker und Schriftsteller in New Haven. Er wurde als John Warner Barber am 2. Februar 1798 in East Windsor, Connecticut, geboren und erlernte das Druckerhandwerk von Abner Reed in East Windsor. 1823 eröffnete er ein eigenes Geschäft in New Haven, wo er religiöse und historische Bücher herstellte, die mit eigenen Holz- und Stahlstichen illustriert waren. Barber reiste umtriebig durch die östliche USA, fertigte Tuscheskizzen von der Landschaft, von Hotels, Schulen, Kirchen und Häfen an und dokumentierte dabei die lokale Geschichte. Er vertiefte sich auch in die Werke der Historiker. Aus all dem produzierte er 1836 das Buch, das heute allgemein als „Connecticut Historical Collections“ bezeichnet wird. Das Buch gilt in den USA als die erste populäre Geschichte des jungen Staates und Barber verkaufte gut 7.000 Exemplare im ersten Jahr, obwohl es drei Dollar kostete (etwa ein damaliger durchschnittlicher Wochenlohn). Zwölf Jahre später wurde es neu aufgelegt und wieder gut verkauft. Es folgten ähnliche Bildbände zu Massachusetts (1839), New England, New York und New Jersey (1841), Virginia (1844) und Ohio (1847). Der Künstler verstarb im Juni 1885 in New Haven, Connecticut.

 

tags: Zweiwegebild, Klassizismus, USA
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