Eine neu künstlerisch gestaltete Lutherbibel erschien in Wittenberg 1664 unter dem traditionellen Titel „Biblia, Das ist Die gantze heil. Schrifft Alten und Neuen Testaments Deutsch“. Herausgebracht wurde das Werk von dem Verleger Balthasar Christoph Wust (1630-1706). Darin enthalten ist ein kleiner Kupferstich der Maße 80 x 35 Millimeter, der zwischen dem Blatt 154 und dem Blatt 155 des Neuen Testaments eingelegt ist, welcher das 21. Kapitel der Apokalypse des Johannes illustriert. Hier ist rechts die Sonne inzwischen zu einem bestimmenden Bildelement geworden, wie es sich in vorangegangenen Arbeiten von Georg Nigrinus, Paul Kreutzberger oder der Dilherr-Bibel anbahnte. Hier scheint sogar die Sonne die beiden Betrachter der Stadt, Johannes auf Patmos mit einem Engel, zu blenden. Auch wurde begonnen, die Lutherbibeln mit einem Akanthusrahmen zu verschönern, der freilich noch recht zurückhaltend gestaltet ist, aber die lange Tradition, die Abbildungen der Lutherbibel nicht oder nur zurückhaltend zu rahmen, unterbricht. Kurze Zeit später sollten Ausgaben folgen, bei denen der Rahmen mit Figuren und Binnenbildern fast wichtiger ist, als das, was er präsentieren soll.
Neben der Sonne und dem Rahmen ist der Tempelbau in der Stadtmitte. Gewöhnlich befindet sich dort der Zionsberg. Hier ist es ein mächtiger Rundtempel, angelehnt an Jean Cousin.
Welche Illustratoren bei der 1664er-Ausgabe herangezogen wurden, ist nicht bekannt. Ich will hier bewusst einen Namen einbringen: die brüchige Linienführung, die Darstellung der beiden Figuren oder auch der mittige Tempel (den es nach der Johannesoffenbarung in der Stadt gar nicht geben dürfte) erinnern an die Handschrift von Tobias Stimmer (1539-1584). Ich sage nicht, dass wir hier eine Arbeit Stimmers vor uns haben, sondern dass ein Einfluss vorhanden ist, der noch näher zu prüfen wäre.
Claus Bernet, Klaus-Peter Hertzsch: Martin Luther in seiner Zeit – und das Himmlische Jerusalem, Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 40).