Joseph Krautwald (1914-2003): Ehemalige Bronzearbeit aus St. Marien in Oer-Erkenschwick (um 1995)

Die römisch-katholische Kirche St. Marien in Oer-Erkenschwick findet man im nördlichen Ruhrgebiet unweit von Recklinghausen. Erbaut wurde sie von Otto Weicken (1911-1948) und im Jahre 1963 eingeweiht. Sie war eine der Vertriebenenkirchen vor allem für die vielen katholischen Flüchtlinge aus Schlesien und dem Sudetenland, die sich hier niedergelassen hatten.

Die Bronzearbeit wurde nachträglich an die Vorderseite eines massiven steinernen Altars angebracht worden. Zu sehen ist zunächst das Lamm Gottes. Es befindet sich in der Mitte des länglichen Kunstwerks, und zu beiden Seiten sind Wohnbauten des Himmlischen Jerusalem zu entdecken. Im Hintergrund ziehen sich sieben Arkaden entlang, die auch Zugänge in die Stadt sein könnten. Links ist eine Schar Geretteter zu sehen, rechts Zweige des Lebensbaums. Die Bronzetafel ist an mehreren Stellen durchbrochen, an der man auf den Hintergrund, also früher auf die steinerne Altarwand blicken konnte.
Die Bronze stammt von dem Bildhauer Joseph Krautwald (1914-2003), von dem auch zahlreiche andere Figuren an der Kirche und dem zugehörigen Kindergarten stammen. Damals unterhielt Pastor Bernhard Liesner einen engen Kontakt zu dem Künstler, und beide entwickelten gemeinsam auch die Idee zu dieser Bronzearbeit.
Krautwald, der vor allem als Persönlichkeit beeindrucken konnte, hat unzählige sakrale Werke in ganz Norddeutschland geschaffen; allein über dreihundert Kreuzwegdarstellungen stammen von ihm. In den letzten Jahren sind jedoch aufgrund von Profanierungen, Verkauf, aber auch Diebstahl zahlreiche seiner Werke verloren gegangen. Auch sein Himmlisches Jerusalem ist in St. Marien nicht mehr öffentlich sichtbar. Nachdem Sicherheitsfragen eine immer höhere Bedeutung einnahmen, mussten die schweren Platten um 2010 vom Altar entfernt werden, angeblich aus statischen Gründen. Sie wurden im Keller des angrenzenden Kindergartens ausgelagert, was mir die seltene Möglichkeit verschaffte, einmal die sonst nicht sichtbare Innenseite einer Bronzetafel zu dokumentieren (vgl. das Schmuckkreuz in Wedel). Mein erster Besuch im März 2023 musste verschoben werden, da in diesen Kindergarten gerade eingebrochen war. Glücklicherweise haben die Einbrecher die Bronzetafeln samt anderer Werke Krautwalds nicht entdeckt, die allein aufgrund der enorm gestiegenen Rohstoffpreise Begehrlichkeiten wecken.

Winfried Ashoff: Der Bildhauer Joseph Krautwald. Ein Leben für die Darstellung von Kraft und Schönheit des christlichen Glaubens, in: Michael Hirschfeld (Hrsg.): Gelebter Glaube, Hoffen auf Heimat. Katholische Vertriebene im Bistum Münster, Münster 1999, S. 239-262.
Winfrid Ashoff: Joseph Krautwald – ein Porträt, in: Vertreibung und Integration in Elte, hrsg. von der Stadt Rheine, Rheine 2005, S. 33-46.
Josef Timmers: Wirken und Wesen von Joseph Krautwald, in: Vertreibung und Integration in Elte, hrsg. von der Stadt Rheine, Rheine 2005, S. 76-84.

 

tags: Joseph Krautwald, Ruhrgebiet, Bronze, Altarschmuck, Lamm
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