Die Genfer Beatus-Handschrift wurde erst im Jahre 2007 von den Patres der Kongregation des Heiligen Franziskus von Sales (Genf, Institut Florimont) in der Bibliothèque de Genève hinterlegt. Dort bekam der lateinische Band die Signatur MS lat. 357 und steht erst jetzt der wissenschaftlichen Begutachtung zur Verfügung, nachdem es zuvor überaus mühsam war, mit den zurückhaltenden Patres in Kontakt zu treten. Es handelt sich bei dem Werk um eine zusammengesetzte Handschrift, die zwei mittelalterliche Texte vereint, welche früher getrennt waren: eine Priscians Institutiones Grammaticae, die im 13. und 14. Jahrhundert in Italien abgeschrieben worden war, und einen Kommentar der Apokalypse von Beatus von Liébana. Dieser Kommentar wurde mit insgesamt 65 farbigen Miniaturen illustriert und im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert, vermutlich im Süden Italiens, von Schreibern, die die Beneventana und die karolingische Minuskel verwendeten, vom Lorvão-Beatus kopiert, was man sehr schön an fol. 241r sehen kann.
Dort findet man im Zentrum die Schachbrettmusterung, die für einen Beatus typisch ist. Auf dieser Musterung finden sich oben das Lamm, in der Mitte ein Engel und unten eine Figur, die wohl Johannes darstellt. Eigenartigerweise hat man die Stadt nicht als Quadrat präsentiert, vermutlich, um die gesamte Seite mit einheitlicher Malerei zu füllen. Ungewöhnlich sind auch die Farbfelder: mehrfach helles Grün, dann völlig vereinzelt einmal ein Blau und wiederholt ein Violett. Umgeben ist dies von einem rechteckigen breiten Balken, an den Kreise in den unterschiedlichsten Farbkombinationen gesetzt sind. Diese stellen die zwölf Edelsteine der Stadt dar. Zwischen ihnen sind Figuren gesetzt, die dank der Beischriften als Vertreter der zwölf jüdischen Stämme erkannt werden.
Códice de Ginebra: Bibliothèque de Genève, Ms. Lat. 357, 2 Bdd., Burgos 2011.
Claus Bernet: Beatus-Apokalypsen, Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 38).