Ikone „Tod der Heiligen Theodora“ (um 1885)

Um das Jahr 1885 entstand diese folkloristisch geprägte Darstellung des Todes der Heiligen Theodora als weit verbreitete Druckgrafik im Raum der russisch-orthodoxen Kirche. Das hiesige, gut erhaltene Exemplar in zarten Rottönen stammt aus dem Staatlich-Historischen Museum zu Moskau. Der nie unumstrittenen orthodoxen Tradition nach muss die menschliche Seele eines Heiligen oder einer Heiligen (bzw. die Seele jedes Menschen) selbst noch nach dem Tod (!) zahlreiche Stufen erklimmen, die für verschieden Prüfungen stehen (meist Anfechtungen wie Habgier, Geschwätzigkeit, Völlerei, Lüge etc., vgl. auch die Tugendleiter des Johannes Klimakos, mit einer Tradition, die sich über die Himmelsleiter bis schließlich in das Alte Testament zurückverfolgen ließe). Kleine schwarze und rote Teufelchen sorgen an diesen Stufen für Irritation und Quälerei, aber auch für Ansporn. Die Anfechtungen und Versuchungen sind in kyrillischer Schrift auf die Stufen geschrieben; sie erschienen den Verfassern besonders wichtig. Erst wenn diese Prüfungen bestanden wurden (angedeutet auch durch das Wiegen der Seelen rechts durch die Hand Gottes), steht der oder die Heilige vor dem Himmelstor und wird dort von mehreren übergroßen Engeln in Empfang genommen. Dieses Geschehen ist oben auf der letzten Stufe zu sehen, wo sich die Heilige Theodora (die kleine Figur im roten Gewand) noch einmal umblickt. Im Hintergrund rechts zeigt sich neben der ornamentierten Eingangspforte das Himmlische Jerusalem mit unterschiedlichen Blumen und Pflanzen in der Tradition des Paradiesgartens.

Constantine Cavarnos: The future life according to orthodox teaching, Etna 1985.
Seraphim Rose: Die Seele nach dem Tod. Heutige ‚Nach-Todes’-Erfahrungen im Licht der orthodoxen Lehre vom Leben nach dem Tod, München 1999.
Claus Bernet: Jugendstil, Secession, Art nouveau, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 7).

 

tags: Ikone, Theodora, Russland, Leiter, Pforte, Paradiesgarten
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