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Jean Cousin (um 1522 – um 1594): „Jüngstes Gericht“ (um 1585) und nachfolgende Fassungen

Jean Cousin le Fils (um 1522 – um 1594) stammte aus Sens und arbeitete zeitlebens in Paris. Er ist der Sohn des Malers und Bildhauers Jean Cousin d. Ä. (um 1490 – um 1560), bei dem er auch in die Lehre ging. Am bekanntesten ist sein „Le Jugement dernier“. Das Gemälde war möglicherweise eine Auftragsarbeit des Paulanerordens, der sich 1585 in Vincennes niederließ, wo das Werk König Heinrich III. angeboten wurde.
Während eine ältere italienische Arbeit von Jean Bellegambe (um 1525) in der Gestaltung des Neuen Jerusalems gewisse Ähnlichkeiten aufweist, ist die Stadt bei Cousin le Fils nicht länger Beiwerk auf einem Seitenflügel, sondern ins Zentrum des Geschehens gerückt. Wie in der Architektur konnte in der Renaissance-Malerei Jerusalem in „heidnischer“ Formensprache gezeigt werden. Das ist hier das Pantheon, welches nach antiker Vorstellung zur Verehrung aller Götter diente, die hier durch Engel und Heilige ersetzt wurden. Zahlreiche Engel finden sich somit in den Eingängen und Nischen des Vorbaues. Dahinter stehen weitere Architekturen, etwa ein hoher Turm, der sich gewunden nach oben verjüngt und auf die Kenntnis römischer Renaissancebauten des 16. Jahrhunderts verweist. Das Gemälde ist, dank der Französischen Revolution, gerade seines pantheistischen Gehaltes wegen nicht zerstört worden, sondern gelangte 1793 als Symbol der Aufklärung in den Besitz des Museums Louvre (Inventarnummer 3445).

Jules Guiffrey: La famille de Jean Cousin, Paris 1881.
Otto Benesch: Jean Cousin fils, dessinateur, in: Promethée, 20, 1939, S. 271-280. 

 

Das Gemälde von Jean Cousin muss irgendwie den Zeitgeist getroffen haben, es wurde mehrfach kopiert und scheint recht beliebt gewesen zu sein. Überliefert sind Kopien als Kupferstich oder in Öl; es war eines der erfolgreichsten Jerusalem-Bilder der Renaissance. Eine erste Kopie stammt von einem anonymen neuspanischen Maler aus dem 17. Jahrhundert und hängt in der römisch-katholischen Gemeindekirche La Santa Cruz in Puebla (Mexiko). Was die Architektur angeht, ist es eine einfache Nachzeichnung. Neu ist die apokalyptische rote Sonne oder ein Stern über dem Bau. Der Turm im Zentrum wird immer mehr zum schiefen Turm von Piesa, vielleicht nicht gerade ein geeignetes Bauwerk für die Besetzung der Stadtmitte Jerusalems, die Künstlern immer wieder Kopfzerbrechen bereitete, da sich kein fester Kanon herausbildete.

 

Pieter de Jode der Ältere (1570-1634) war ein flämischer Kupferstecher und Verleger aus Antwerpen, der sich auf die Kopie großer Meister seiner Zeit spezialisiert hatte. Sein Kupferstich „Jüngstes Gericht“ ist eine leicht barockisierte Kopie des Ölgemäldes aus dem Louvre. Sie entstand 1615, also zehn Jahre, nachdem der Künstler eine eigene Entwurfszeichnung zum Thema vorgelegt hatte. Da Cousin um 1594 verstarb, könnten die beiden Künstler sich noch persönlich gekannt haben. Der Kupferstich von de Jode ist eine so gekonnte und detaillierte Wiedergabe von Jean Cousins Ölgemälde, dass man von einer intimen Kenntnis des Werkes von Cousin bei de Jode ausgehen muss. Der Kupferstich zum Jüngsten Gericht besteht aus insgesamt zwölf Platten mit einer Gesamtgröße von 175 x 130 Zentimetern, einschließlich drei ausführlichen Widmungstafeln im unteren Bildbereich, die uns Peter Drevet als Verleger verraten. Das Neue Jerusalem am oberen linken Rand entspricht hier ziemlich genau den Maßen der vierten Platte.
Der Kupferstich von de Jode gilt als eines der ersten Großformate, das sich aus mehreren Einzelblättern zusammensetzt. Erst die Käufer der Blätter fügten sie zu einem zusammenhängenden Bild, wozu die einzelnen Stiche meist auf eine Leinwand gespannt wurden. Diese vor allem in Frankreich erfolgreiche künstlerische Arbeit wurde in einer zweiten Auflage (ca. 1750-1780) noch bekannter, vor allem im amerikanischen Raum, wo zahlreiche Kopien dieses Bildes in Öl existieren.

Clara Bargellini, Michael K. Komanecky (Hrsg.): El arte de las misiones del norte de la Nueva España 1600-1821. Exhibition Catalog. Antiguo Colegio de San Ildefonso, Mexico City 2009.

 

Ein weiteres großformatiges Ölgemälde wird dem spanisch-mexikanischen Maler Juan Sánchez Salmerón zugeschrieben, der um 1670, sicher zusammen mit vielen Gehilfen, daran gearbeitet hat. Während das Original leicht bläulich eingefärbt ist, hat die Kopie eine leichte Gelbtönung. Diese Fassung gelangte in die Sakristei der römisch-katholischen Kirche von Loreto im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt. Während unter einer Christusfigur rechts Ruinen der untergehenden Welt zu finden sind (hier nicht abgebildet), erscheint links das Neue Jerusalem als Renaissance-Tempel in den Formen und Proportionen wie bei Cousin. Im Gegensatz zum Original findet sich wieder die apokalyptische Sonne, so dass Salmerón wohl auch mindestens eine der Kopien kannte, von denen es noch weit mehr gegeben haben mag, als ich hier zusammenstellen konnte.

Pamela Huckins: Antiquity and the Renaissance in Oceanside: The European legacy of the Last Judgement at mission San Luis Rey de Francia, in: Anales del Instituto de Investigaciones Estéticas, 91, 2007, 197-206. 

 

Überraschend erlebte das Motiv im 18. Jahrhundert eine Revitalisierung. Weniger bekannt ist dieses Medaillon in Öl, welches ein anonymer Neuspanier im 18. Jahrhundert angefertigt hat. Um 2010 stand es bei Sotheby’s zur Auktion an und befindet sich seitdem in einer Privatsammlung. In der Rundung ist der zentrale Turm, der irgendwie nicht mehr ins Barock passte, weggefallen, dafür erscheint nun ein belebender Putto im Bildzentrum und zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

 

Ein anderes Ölgemälde eines anonymen mexikanischen Künstlers in Öl hat ebenfalls sein Herkunftsland verlassen. Es gehört heute zum Bestand der Mission San Antonio de Padua in Jolon (Kalifornien, USA). Angefertigt wurde es um 1790. Im Gegensatz zu allen Vorgängern ist die Architektur des Tempels bzw. Jerusalems nun lediglich schematisch nachgezeichnet. Neu hinzugefügt ist das Bild der Stifterin und darunter ein memento mori, wie es der Barock liebte.

 

Ebenfalls um 1790 malte José Joaquin Esquivel seine eigene Fassung des Neuen Jerusalem nach Cousin in Öl. Die Architektur des 326 x 249 Zentimeter großen Werkes ist ganz im Renaissancestil des Originals gehalten. Im Gegensatz zu Cousin setzte Esquivel auch ein Porträt der frommen Stifterin in das Medaillon, direkt unter das Neue Jerusalem. Das einst in einer Privatsammlung befindliche Werk ist heute Teil der Sammlung des Museums Mission San Luis Rey de Francia in Oceanside (USA). Möglicherweise hatte Esquivel, über den kaum etwas bekannt ist, Paris besucht, oder er kannte das Ölgemälde Cousins durch einen der verbreiteten Kupferstiche, die Pieter de Jode nach dem Gemälde angefertigt hatte. Das gilt auch für die anderen hier vorgestellten Kopien.

El arte de las misiones del norte de la Nueva España 1600-1821, Mexico City 2009.
Ramón Mujica Pinilla: Hell in the Andes. The Last Judgment in the art of viceregal Peru, in: Contested visions. In the Spanish colonial world, Los Angeles 2011, S. 178-201.

 

tags: Paris, Frankreich, Renaissance, Louvre, Jüngstes Gericht, Paulanerorden, Tempel, Neuspanien, Kupferstich, Mexiko, Mediallon, Barock, USA
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