Mitten im Ersten Weltkrieg, Jahr 1916 (39. Band, 7. Heft, S. 297), brachte die römisch-katholische Zeitschrift „Stadt Gottes“ den Artikel „Der Kampf um die Heimat“, der die Moral in Zeiten der politischen Auseinandersetzungen und der wirtschaftlichen Anstrengung an der Heimatfront stärken sollte. Obwohl die „Stadt Gottes“ dezidiert als „Familienzeitschrift“ (mit dem Untertitel „illustrierte Monatsschrift für die katholische Familie“ gegründet war und sich so verstand), hatte sie kein Problem mit Kriegspropaganda und Kriegsverherrlichung. Zu dieser Zeit bot es sich an, auf das Motiv der belagerten Glaubensburg zurückzugreifen. Dieses hatte schon einmal, im 16. Jahrhundert, Konjunktur: in einer Burg verschanzen sich fromme Christen, mitunter von Engeln unterstützt, die von Glaubensfeinden angegriffen werden, die wiederum von Teufeln und Dämonen assistiert werden. Diese Radikalität war im 20. Jahrhundert nicht mehr gefragt, dass Motiv hatte sich sozusagen säkularisiert.
Illustriert wurde der Text mit einer einfarbigen Beizeichnung, die eine mittelalterliche Burg auf einem Felssporn zeigt, vollständig umwachsen bzw. gerahmt vom Lebensbaum. Oben dominiert ein Bergfried die Anlage, von seinem Dach bzw. vom lateinischen Kreuz geht ein Strahlenkranz aus, der an eine Sonne erinnert. Unten strömt das Wasser des Lebens in sieben Flussläufen auf ein liegendes Schwert: Ist damit das Ende aller Kriege besiegelt, oder wird gerade ein Schwert für neue Kämpfe gesegnet? Der Künstler ist nicht genannt, lediglich die Initialen „A. U.“ sind der Zeichnung beigegeben. Dies ist mit Andreas Untersberger (1874-1944) zu entschlüsseln, einem Illustrator und Maler aus Österreich, der sich auf fromme Zeichnungen für Kinderbücher und Zeitschriften spezialisiert hatte.
Constanze Lindner Haigis: Der Maler und Illustrator Andreas Untersberger (1874-1944), in Christa Pieske, Konrad Vanja, Sigrid Nagy (Hrsg.): Arbeitskreis Bild Druck Papier, Tagungsband Bassano 2001, Münster 2003, S. 45-60.