Hanns-Christian Luibl (geb. 1955): Grabsteine und Grabstelen (1991ff.)

Hanns-Christian Luibl (geb. 1955) ist freischaffender Steinmetz mit einem Betrieb in Höhenkirchen-Siegertsbrunn südlich von München. Luibls künstlerisches Talent zeigte sich schon während der ersten Schuljahre, frühzeitig entdeckte er bei einem Praktikum in der Werkstatt des akademischen Bildhauers Peter M. Lutterkord seine Leidenschaft für den Werkstoff Stein. So absolvierte er in diesem Betrieb eine Lehre zum Steinmetz. 1986 legte er an der Meisterschule für Steinmetze und Steinbildhauer in München die Meisterprüfung ab. Seither arbeitet er als selbständiger Steinmetz und Bildhauer. 1995 eröffnete er nach seinem Umzug nach Höhenkirchen-Siegertsbrunn dort seine eigene Werkstatt. Es entstanden in den letzten Jahren einige bemerkenswert hochwertige und qualitative Arbeiten, die das Himmlische Jerusalem, wie wir sehen werden, in unterschiedlicher Weise thematisierten.

Eine frühe Arbeit ist eine Jerusalemstele auf dem Gemeindefriedhof Hohenbrunn (nahe München, Oberbayern). Sie entstand im Jahr 1991 für ein Lehrerehepaar. Vor allem im oberen Bereich ist die rechteckige Stele bildkünstlerisch gestaltet. Dort schieben sich geometrische Figuren aus dem Stein und formieren sich zu Dächer und Kuppeln Jerusalems – die Stadt wächst quasi aus dem Stein heraus gen Himmel. Der christliche Gehalt wird durch das eingemeißelte Christusmonogramm an einer der beiden Schauseiten unterstrichen. Das Motiv einer Stadt am oberen Abschluss einer Stele hat Luibl später noch mehrfach aufgenommen, hier sind die Kubaturen noch streng ausgeformt, auf Darstellung von Türen, Fenstern o.ä. wurde verzichtet.

 

Dieser Grabstein aus Untersberger Forellenstein aus dem Jahr 2002 zeigt ein in der Mitte kleines vergoldetes Tor (oder eine Pforte) zum Himmlischen Jerusalem. Umgeben ist sie von von Bauten im oberen Bereich, deren dreieckige Dächer den schrägen Abschluss des Grabsteins aufnehmen. Im unteren Bereich führen Stufen einer breiten Treppe zu dem Tor, weitere separate Treppen führen zu einzelnen Häusern. Auch diese Arbeit für ein Ehepaar ist auf dem Gemeindefriedhof von Hohenbrunn zu finden.

 

Das Motiv Pforte mit Treppe und Gold wurde auf dem Hohenbrunner Friedhof ein drittes Mal umgesetzt, aber in überraschend anderer Art und Weise: In eine weiß-rosafarbene Marmorstele wurde eine Nische eingearbeitet, welche die Pforte des Himmels symbolisiert. Mehrere Stufen führen zu ihr, und die Nische dient dazu, Kerzen (wie hier zu sehen) oder kleinere Erinnerungsgegenstände aufzunehmen. Die Pforte ist durch eine schmale Linie akzentuiert, die sie vollständig umgibt. An den fünf Ecken sind Vergoldungen angesetzt. Diese Linie findet sich ein zweites Mal am äußeren oberen Rand des Steines, der die gleiche Form wie die Nische besitzt. Hier ist lediglich die Ecke im Scheitel des Steins durch Vergoldung hervorgehoben, die auch etwas größer gestaltet wurde. Diese Arbeit Luibls hat sogar eine Signatur: 29.338.

 

Eine Arbeit aus dem Jahre 2007 ist aus Kalkstein und zeigt das Lamm mit den vier paradiesischen Quellflüssen vor einer Stadtkulisse im oberen Bereich. Eine Besonderheit ist die gelbe Färbung des Heiligenscheins um das Lamm, welche bei bestimmten Lichtverhältnissen golden leuchtet. Neben dem Agnus Dei hat der Künstler zwei ähnliche Bäume gegenüber gestellt: Der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens. Das Werk in Kreuzform steht heute auf dem Friedhof des Ortes Speicher in der Eifel und folgt teilweise in seiner Darstellung Vorbildern aus der Romanik und aus Ravenna. Ursprünglich sollte das Motiv als Stele gearbeitet werden, was jedoch die Kunden ablehnten, sondern die traditionelle Form eines lateinischen Kreuzes bevorzugten.

 

Eine weitere Arbeit dieses Künstlers wurde dann doch eine Jerusalemstele. Sie ist aus weißem Marmor, versehen mit dem Vers des bekannten Zionliedes „In deinen Toren will ich stehen, Du freie Stadt Jerusalem“. Sie wurde im Jahr 2009 fertiggestellt und befand sich damals noch in der Werkstatt des Künstlers in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Im unteren Bereich ist die Stele glatt geschliffen und ohne Verzierung oder Beschriftung, bis auf das angeführte Zitat. Am oberen Abschluss der Stele wachsen jedoch unterschiedliche Häuser aus dem Stein heraus, so dass man von oben eine vielgestaltige Jerusalems-Dachlandschaft entdecken kann, gleich wie auf einer älteren Stele von Martin Thiebes. Auffällig ist ein großer Kuppelbau im steinernen Zentrum der Stadt. Die Bauten am Rand sind mit Fenstern und Türen ausgestattet, die desto realistischer gearbeitet sind, desto höher man geht, und nach unten immer mehr im Stein verschwinden.

 

Bei dieser Arbeit aus Dolomitstein handelt es sich um eine drei Meter hohe Stele. Im oberen Bereich sind auf den vier Seiten Tore und andere Bauten des Himmlischen Jerusalems gesetzt, die zusammen die Gestalt eines Kubus ergeben. Es handelt sich um ein Urnengrab auf dem Münchner Westfriedhof im Bereich der sogenannten Mosaikgärten. Die ersten Toten zu dieser Stele wurden ab 2015 bestattet.

 

Unmittelbar darauf wurde von Luibl eine ähnliche Fassung für das Grab von Alois Hauke (1930-2016) gestaltet. Sie befindet sich als Einzelgrab in unmittelbarer Nähe der Stele, ebenfalls auf dem Münchner Westfriedhof. Auch hier ziehen sich die Tore und Bauten um vier Seiten des rechteckigen Steins, der mit etwa einem Meter Höhe kleiner ist, aber ebenso viele Details und Einzelheiten bietet wie sein Vorläufer.

 

tags: Eifel, Rheinland-Pfalz, Sepukralkultur, Grabstein, Grabstele, Paradiesflüsse, Oberbayern, Marmor
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