Die evangelisch-lutherische Kirche St. Urbanus in Dorum bei Bremerhaven besitzt spätmittelalterliche Ausmalungen, die erst im Jahr 1960 freigelegt und ergänzt wurden. Die Saalkirche stammt ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert, zu der im Spätmittelalter ein Hallenchor mit einer Weltgerichtsmalerei hinzugefügt werden konnte. Freigelegt wurden einzelne Szenen in matter, pastellfarbener Kolorierung, zwischen denen sich weiße, unbemalte Deckenpartien befinden. Somit ist die gesamte Decke mit einem Netz von Rippen und Malereien überzogen, unter dem man sich wie unter einem Sternenhimmel fühlen kann.
Auf der Kappe mit dem Neuen Jerusalem sehen wir unten einzelne Gräber am Tag der Auferstehung. Darüber steht Petrus, der den Schlüssel schwenkt, als würde er die Auferstandenen damit herbeiwinken. Rechts ist eine weibliche Heilige zu sehen: vermutlich Maria. Sie sitzt bereits auf dem Regenbogen, der weiter zu Christus auf der nächsten Kappe führt. Bei der Gottesstadt im oberen Bildteil ist es dem namentlich unbekannten Künstler gelungen, sowohl die offene Türe zu zeigen als auch einen Blick über die Mauer in das Innere zu ermöglichen. Das Tor ist mit einer Bekrönung im Flamboyant-Stil geschmückt, der im 16. Jahrhundert allerdings nur noch auf dem Lande Verwendung fand. Die übrigen Partien der Stadt sind ohne Schmuck, die Mauern von außen kahl, das Stadtinnere leer. Im angrenzenden Mauerfeld des Chorgewölbes arbeitet ein Maurer mit Spitz- und Rechteckkelle, er baut offensichtlich am noch halben Jerusalem weiter. Es ist die einzige mir bekannte Darstellung, auf welcher ein Handwerker bei der Erbauung der Stadt eine Rolle spielen darf. Es ist nicht auszuschließen, dass hier der Künstler sich selbst ein Bild gesetzt hat.
Siegfried Bochow, Helmut Marschall: St. Urbanus-Kirche zu Dorum, Dorum (1999).
Hans-Joachim Kerber, Andreas Lechtape: St. Urbanus-Kirche, Dorum, Regensburg 2010.
Dorum bei Bremerhaven, in: Sigrid Kupetz: 900 Jahre Wandmalereien, Gewölbemalereien und Brüstungsmalereien in deutschen Kirchen und Klöstern, Bad Karlshafen 2008, S. 118-121.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem in Deutschland, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 27).