Dieses Beispiel ist eine kunstvolle Schnitzerei aus der römisch-katholischen Kathedrale Saint-Maurice in Angers (Départements Maine-et-Loire). Das verwendete Material ist Eichenholz. Die Kanzel, datiert auf das Jahr 1855, ist eine Arbeit ausgeführt unter dem Abt Rene Choyer (1814-1889), der auch als Künstler hervortrat und beispielsweise den Hochaltar der Kirche schnitzte. Von der Kanzel hat Choyer jedoch nie gepredigt, sie wurde erst unter seinem Nachfolger, dem Magister Freppel, 1871 feierlich eingeweiht.
Eine der Reliefs zeigt die berühmte Szene, als Johannes das Himmlische Jerusalem erblickt. Die Vorlage dazu könnte möglicherweise aus einer Bibelillustration stammen, auch spätmittelalterliche Miniaturen kommen in Frage (etwa die Historienbibeln oder MS Français 23). Der Stil, vor allem die Profilierung des Sehers Johannes, verweist deutlich in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Zentrum steht nicht die Gottesstadt, sondern die genaue und aufmerksame Wahrnehmung ihrer Erscheinung durch den Beobachter. In lateinischer Schrift wurde aus dem gregorianischen Mess- und Stundengebetsrepertoir hinzugesetzt: „Vidi Sanctas Civitate Jervsalem Novas Descendens de Coelo“, also: „Ich sah die heilige Stadt, das Neue Jerusalem, wie sie aus dem Himmel herabsteigt“. Darüber schwebt die Stadt auf zahlreichen Wolken, umschlossen von einer Stadtmauer mit einem geschlossenen Zugangstor, das von zwei massiven Türmen flankiert ist. Die Stadt ist weder quadratisch, noch hat sie zwölf Tore. Ihr Inneres ist angefüllt mit zahlreichen Wohnbauten und Türmen, ohne dass die Bewohner der Stadt oder Engel dazwischen zu sehen sind.
René-François Choyer: Chaire et autels, Paris 1855.
René-François Choyer: La Chaire de la cathédrale d’Angers, Angers 1871.
Alexis Crosnier: A la mémoire de M. l’abbé René-François Choyer, Angers 1890.
Cathédrale Saint-Maurice, Angers (Hrsg.): Cathédrale d’Angers, Lyon, um 1970.
Claus Bernet: Liturgica und Kirchenschmuck, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 12).