Robert Temple Ayres (1913-2012): Jerusalemszeichnungen (1949, 1950 und 1967)
Robert Temple Ayres wurde 1913 in Lansing (Michigan) in eine Künstlerfamilie geboren. Seine Mutter war Künstlerin und Pianistin, seine Schwester Betty Ayres wurde eine professionelle Geigerin, sein Onkel Harry C. Temple (1881-1962) ein bekannter Woodstock-Künstler und sein Cousin ist der ehemalige Kinderstar Shirley Temple (1928-2014). Robert Ayres hatte von Kindheit an den Wunsch zu malen. In den 1920er und 1930er Jahren studierte er Malerei bei William H. Mosby (1898-1964) an der American Academy of Art in Chicago, bei Henry Lee McFee (1886-1953) am Chouinard Art Institute in Los Angeles und bei F. Tolles Chamberlin (1873-1961) am Jepson’s Institute in Los Angeles. Leider musste er in Folge der wirtschaftlichen Depression, familiärer Verpflichtungen und wegen des Zweiten Weltkriegs sein Studium immer wieder unterbrechen.
Ayres begann seine berufliche Laufbahn in der Werbung und Buchillustration. Bald nach dem Studium malte er das Bild „Der Retter“, das reproduziert und international verbreitet wurde. Es waren ansonsten vor allem biblische Illustrationen für Buchveröffentlichungen und später eine Reihe für Kirchenbriefumschläge, die zu dem Auftrag führten, die Eröffnungsszenen von Ben Hur zu illustrieren. Das ebnete den Weg für 25 Jahre als Illustrator bei MGM, Paramount, Warner Brothers, Seven Arts, Universal und die letzten 14 Jahre bei den Disney Studios. Eine seiner bekanntesten Skizzen ist die brennende Karte zu Beginn der Fernsehserie Bonanza. 1980 beendete Ayres seine Studiokarriere mit der Arbeit am Epcot Center Project für Disney World in Florida.
Seit seiner Pensionierung im Jahr 1980 beschäftigt sich Ayres mit der freien Malerei unterschiedlicher Themen, wie beispielsweise historische Landschaften, dann auch Gebirge und Städte vor allem von den USA. 2012 verstarb der Künstler nach einer langen und erfolgreichen Kariere in der Gebrauchsgrafik, aber auch in der sakralen Malerei („The Earth Made New“, „Saint John on Lonely Patmos“, „What Will Heaven Be Like“).
Vor allem in seiner zweiten Lebenshälfte hat Ayres das Himmlische Jerusalem als Thema entdeckt. Eine seiner frühesten Illustrationen findet sich in „Beyond Tomorrow“, einem Traktat des Adventisten Raymond F. Cottrell (1911-2003), eines Theologen. Diese populärwissenschaftliche Arbeit erschien 1963 bei der Southern Publishing Association in Nashville.
Eine Farbzeichnung von Robert Temple Ayres (1913-2012) ziert die Seite 128. Dort lustwandeln weißgekleidete Heilige in der neuen Schöpfung vor goldenen Bauten des Neuen Jerusalem. Auch ein Eichhorn darf nicht fehlen, was Ayres sich wohl von Joe Maniscalco abgeschaut haben mag. Die Arbeit mit dem Titel „Joys of the New Earth“ selbst ist wesentlich älter, sie wurde bereits 1949 als Postkarte und Puzzle von der Southern Publishing Association (Nashville) angeboten.
Ebenfalls 1949 erschien die Malerei „Hereafter“ von Ayres. Auf dieser ist vor allem das Himmlische Jerusalem ähnlich gestaltet wie zuvor, nämlich als Ansammlung goldener Bauten, hier allerdings auch mit einem Stadttor. Das später auch als Postkarte vertriebene Motiv erschien erstmals in einem Southern Publishing Calendar. Rechts unten sehen wir eine weiße Ecke, was heute viele nicht mehr erkennen. Es ist eine marmorne Grabplatte, denn die Person links ist einer der gerade Auferstandenen.
„Drama of the Ages“ lautet der Titel eines erfolgreichen Buches, welches 1950 in Washington erschien. Der Verfasser war William Henry Branson (1887-1961), ein Prediger und Funktionär der US-amerikanischen Adventisten. Auf Seite 576 ist eine weitere Farbzeichnung von Ayres zu finden, mit der goldenen Stadt im Hintergrund, zwischen der eine Jesusfigur im Vordergrund die Geretteten segnet. Die Stadt beweist einmal mehr, dass Ayres seinen eigenen Stil gefunden hat, das Himmlische Jerusalem darzustellen, ohne mit der bisherigen Tradition der adventistischen Kunst zu brechen. Seine Farbillustrationen waren vor allem wegen der eindrucksvollen Figuren beliebt und trafen den Zeitgeschmack der USA in den 1950er Jahren. Noch heute wird seine Kunst in christlich konservativen Kreisen wertgeschätzt und online angeboten.
1967 erschien eine Neuausgabe von „Bible Readings for the Home“, diesmal als Gemeinschaftsausgabe von der Southern Publishing Association und der Pacific Press Publishing Association. Auf Seite 549 findet sich eine Farbzeichnung von Robert Temple Ayres, die als letzte Darstellung des Himmlischen Jerusalems dieses Künstlers gilt. Das Bild zeugt von großer Harmonie, Ausgewogenheit und Klarheit. Es ist der Höhepunkt einer jahrzehntelang künstlerischen Beschäftigung mit diesem Thema. Unter einem Regenbogen erscheint eine Gloriole, darunter die goldene Stadt, die auf einer Anhöhe vor einem See oder Fluss liegt, in dem sie noch ein zweites Mal gespiegelt zu sehen ist. Vorne steht entspannt ein Ehepaar. Ihnen kommt ein Mann mit Kindern entgegen, vielleicht ist es Christus?