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MS 8: Mittelalterliches Zweiwegebild (1175-1200)

Die Universitätsbibliothek Erlangen besitzt mit der Handschrift „Parabolae Salomonis: Ecclesiastes. Cantiorum. Lamentationes Ieremiae cum Glossis“ (MS 8) eines der wenigen mittelalterlichen Zweiwegebilder. Dieses Bildmotiv sollte über die Jahrhunderte noch enorm erfolgreich werden, hier hat man das älteste Beispiel, welches sich in Deutschland erhalten hat. Das Werk mit seinen in roter und schwarzer Tinte gefassten Miniaturen gilt als bedeutender Ausläufer der Schwäbischen Schule. Es dürfte im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts entstanden sein, vielleicht in Heilsbronn (Franken). Wie auch spätere Zweiwegebilder erklärt sich bereits dieses frühe Exemplar durch beigegebene Texte. Der Weg, den der Mensch zu gehen hat, ist auf fol. 130v als gekrümmte, sich gabelnde Leiter dargestellt, die entfernt an manche Darstellungen des buddhistischen Lebensrades erinnern.
Im oberen Bereich ist mit roten Steinen das eigentliche Himmlische Jerusalem als dreitürmige Architektur gemauert. Darin befinden sich Christus, Petrus und Maria. Christus hält in seiner rechten Hand die Strahlen der „Septe dona spirit sancti“, die den Pilger auf seinem Weg begleiten. Die Tugenden, die zu einem Torturm der Himmelsstadt führen, sind, laut lateinischer Beschriftung, unter anderem Mut, Klugheit und Gerechtigkeit (Tugendleiter). Doch nicht allein der Wille des Menschen ist entscheidend – vielmehr ist er eingebunden in äußere Kräfte. Diese sind dargestellt durch Engel und Teufel, die beide den Pilger bzw. seine Seele auf ihrer Seite, bzw. ihren Weg der Verderbnis ziehen möchten.

Ms. 8 in: Eberhard Lutze: Die Bilderhandschriften der Universitätsbibliothek Erlangen, Wiesbaden 1936, S. 1-12.
Hans-Otto Keunecke (Bearb.): Cimelia Erlangensia: Aus den Schätzen der Universitätsbibliothek. Ausstellung im 250. Jahr der Friedrich-Alexander-Universität, 7. Mai – 4. Juni 1993, Erlangen 1993.
Eva-Maria Kaufmann: Abstieg Gottes und Aufstieg des Menschen: Das Bildmotiv der Himmelsleiter im Mittelalter, in: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, 59, 2, 2006, S. 112-121. 

 

tags: Zweiwegebild, Mittelalter, Pilger, Miniatur
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