Westportal der Kathedrale von Amiens (um 1230)

Die Kathedrale von Amiens besitzt ein Himmlisches Jerusalem aus ihrer Entstehungszeit um 1230. Man findet es an der Westfassade am Tympanon als Teil einer Darstellung des Weltgerichts. Über einen Doppeltüreingang sind mehrere Ebenen gesetzt, in denen sich links hoffnungsvolle Darstellungen der Geretteten, rechts angsteinflößende Darstellungen der Verworfenen befinden. Während die Hölle rechts wie üblich als Drachenschlund visualisiert wurde, hat man das Himmlische Jerusalem hier in Amiens einmal als kleines Kirchlein dargestellt, vermutlich in Anlehnung an zeitgenössische Miniaturen, wo diese Form öfters gewählt wurde. Vielleicht hat auch die Zwickelform zu dieser Motivwahl geführt. Es ist ein einschiffiger Bau mit fünf Fenstern und einem Turm, alles noch im Stil der Romanik. Aus einem Fenster hält ein Engel oder ein Heiliger eine Kerze, darüber schwenkt eine weitere Figur ein Ziborium, also ein Weihrauchfass. In die übergroße, nach oben gezogene Tür, deren Rahmen wegen der geringen Größe kaum zu erkennen ist, krönt ein weiterer Engel eine gerade eintretende Person. Bei der handelt es sich um einen Märtyrer. Anhand seiner Kleidung ist er als Mönch zu erkennen.

Wolfgang Medding: Die Westportale der Kathedrale von Amiens und ihre Meister, Augsburg 1930.
Pierre Leroy: Cathédrale d’Amiens, Paris 1989.
Stephen Murray: Notre-Dame, Cathedrale of Amiens, Cambridge 1996.
Iliana Kasarska u.a. (Hrsg.): Mise en oeuvre des portails gothiques: architecture et sculpture, Paris 2011.
Jean-Luc Bouilleret: Amiens, Strasbourg 2012.
Claus Bernet: Gotik, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 30).

tags: Tympanon, Amiens, Hauts-de-France, Kathedrale, Gotik, Mittelalter, Märtyrer, Krone
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