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Apokalypse-Handschriften MS 815 (1220-1270) und MS Add. 18633 (um 1300)

Diese Apokalypse in französischer Sprache entstand in Frankreich zwischen 1220 und 1270. Sie wird heute als Handschrift MS 815 in der Stadtbibliothek von Toulouse aufbewahrt. Fol. 51r zeigt ein Himmlisches Jerusalem, welches mit seiner weißen Fassade an Marmor und Perlen, die ja auch zu den Baumaterialien gehören sollen, erinnert. Links befindet sich der Seher Johannes, über der Stadt herrscht Christus auf einem Thron, wie man es auch aus anderen Miniaturen des 13. Jahrhunderts kennt.

Interessanter scheint die Darstellung auf fol. 53r zu sein: Wie bei einem Adventskalender öffnen sich zwölf Türchen, in denen Propheten vor goldenem Hintergrund stehen. Mit ihrer Kopfbedeckung sind sie als Juden gekennzeichnet. Auf der unteren und oberen Seite der Stadt ist ihnen jeweils ein weißes Türmchen zwischengeschoben, das aus einer dreilagigen Quaderung und einer Kuppel besteht. Ganz unten stehen in einer Reihe die zwölf Apostel und bilden das Fundament der Stadt. In der Mitte thront Gott, zu seiner Seite steht das Christuslamm und die Weltkugel, auf der sich das Kreuz mit dem Corpus Christi befindet. In unterschiedlicher Gestalt ist hier Christus drei Mal dargestellt.

Auf fol. 58v ganz am Ende dieser Handschrift sind dann noch einmal Menschen zu sehen, die sich auf einem Regenbogen in Richtung Himmelspforte bewegen. Dort stehen die Flügel offen, ein Mensch hat bereits die Pforte erreicht. Die kleine Himmelspforte ist übrigens ebenso gezeichnet wie zuvor die Tore der Himmelsstadt auf fol. 53r. Wer von dem Weg über den Bogen abkommt, fällt tragischerweise nach unten in die Hölle, wo Monster bereits die Gefallenen im Empfang nehmen. Diese nichtbiblische Beigabe verweist hier auf das Motiv des Zweiwegebilds.

 

In enger Abhängigkeit von der Handschrift aus Toulouse steht eine lateinische Apokalypse mit französischer Übersetzung, die um 1300 entstanden ist. Die Kopie ist in der British Library unter MS Add. 18633, dort fol. 47r, zu finden. Alles, was zu MS 815 fol. 53r gesagt wurde, gilt auch für diese Miniatur. Bei genauem Hinsehen finden sich jedoch kleinste Varianten. Etwa besteht die Quaderung der Türme nicht aus drei, sondern aus zwei Steinreihen, und die zwölf Apostel sind nicht mehr in ganzer Gestalt, sondern als Büsten dargestellt. Die Hintergrundfarbe der Türme ist jetzt rosa, nicht mehr blaufarbig. Die Binnenzeichnung der Mandorla ist bei MS Add. 18633 fol. 47r und MS 815 fol. 53r gleich, aber MS Add. 18633 hat einen rechteckigen, die Kopie einen quadratischen Rahmen.

MS Add. 18633 besitzt noch eine weitere Darstellung des Neuen Jerusalem, auf fol. 45v. Dort ist der Hintergrund geteilt, nämlich rot bei Johannes links und blau bei der göttlichen Sphäre rechts – eine solche Einteilung wird man bei Miniaturen zukünftig noch öfters finden. Rechts schwebt auch das Himmlische Jerusalem als marmorne Kirche. Neben einer verzierten Fassade wird der Bau von einer goldenen Pforte links dominiert, deren zwei Flügel geschlossen sind. Drei Seiten der Fassade, nämlich Eingang, Mittelschiff und Apsis, sind hier aneinandergesetzt, da der Miniaturist die Perspektive noch nicht beherrschte. Die Ähnlichkeit mit Sakralbauten der Renaissance aus Oberitalien ist zufällig.

Toulouse-Nimes, Paris 1885 (Catalogue général des manuscripts des Bibliothéques Publiques des départements, 7).
Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La Gerusalemme celeste. Catalogo della mostra. Milano, Università Cattolica del S. Cuore 20 maggio – 5 giugno 1983, Milano 1983, S. 156.

 

tags: Frankreich, Toulouse, Himmelspforte, Zweiwegebild
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