Die römisch-katholische Kathedrale von Sens in Burgund ist einer der ersten sakralen Großbauten der Gotik. Direkt über dem Mittelportal wurde die Kathedrale um 1205 mit zwei Medaillons ausgestattet. Die Darstellung in Medaillons auf einer Fassade ist in der frühgotischen Skulptur neu und typisch für die antikisierenden Strömungen um 1200. Vorbild war die römische Kunst (Konstantinsbogen in Rom). Die erkennbaren Zerstörungen sind das Werk der Französischen Revolution – davon ist auch der einstige Figurenschmuck (Engel, Petrus?) des Himmlischen Jerusalem betroffen, das sich zweifach in jeweils einem eigenen Medaillon über dem Tympanon befindet. Links ist die Himmelspforte offen, rechts geschlossen. Es ist meines Erachtens des erste Mal, dass die Pforte offen und gleichzeitig geschlossen präsentiert wird; im Rahmen der Lauretanischen Litanei sollte es ab der Frühen Neuzeit häufiger werden. Links und rechts des mittleren Zugangs findet man auf beiden Medaillons weitere Tore und Türme, die hier noch im Stil der Romanik wiedergegeben sind. Beide Türme sind symmetrisch und ihre Dachzonen sind schräg nach oben gezogen, um das ovale Medaillon möglichst auszufüllen. Bei den Seitentürmen wird klar, dass es sich nicht um die gleiche Pforte handelt, sondern um unterschiedliche Bauwerke. Gleiches gilt auch für den Giebel, der links als Turm gesetzt ist, rechts als Dreieck. Trotz der Jahrhunderte und der absichtlichen Zerstörungen haben sich beide Tore gut erhalten, so erkennt man auf beiden Fotos die detailgetreue Wiedergabe der gusseisernen Beschläge.
Irene Plein: Die frühgotische Skulptur an der Westfassade der Kathedrale von Sens, Münster 2005.
Annabelle Martin: Nouvelles observations sur le portail Saint-Jean de la cathédrale Saint-Étienne de Sens, in: Bulletin Monumental, 163, 4, 2005, S. 315-327.
Claus Bernet: Denkmalschutz, Denkmalpflege und UNESCO-Weltkulturerbe, Norderstedt 2020 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 47).
Beitragsbild: D. Dufour