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Gerhard Ribka: Fenster aus dem Glasmuseum Frauenau (2005)

Eines des wenigen Fenster mit dem Himmelsstadtmotiv an einem nichtsakralen Ort findet man im Glasmuseum Frauenau im bayerischen Wald. Es bildet dort den Abschluss der Mittelalterabteilung, wo zum Thema folgendes auf eine Tafel geschrieben ist: „Mit filigranen Türmen, Bögen, Streben, bunt und goldfunkelnd, wurde die gotische Kathedrale zum Abbild des Himmlischen Jerusalem. So beschreibt es die Apokalypse des Johannes: eine vollkommene Stadt, die vom Himmel herabschwebt, gebaut aus Gold und Edelsteinen, durchsichtig wie Glas. Dies drückt sich in der geometrischen Harmonie des Baus aus, aber auch im Auflösen von Wänden in transparente Glasflächen. Hier ist Gott gegenwärtig, in seinem Licht werden Raum und die Menschen zum Teil des neuen Jerusalem. Im Mittelalter wurde diese himmlische Stadt zu einem Leitbild Europas, Kultur und Gemeinschaft entfalteten sich in der Stadt und im Symbol der Stadt vollendete sich die Welt“. Fast alles in dieser Zusammenfassung ist fragwürdig: die Abbild-These geht auf Hans Sedlmayr zurück und war immer umstritten, selbst in der Gotik finden sich viele Jerusalems-Darstellungen ohne geometrische Harmonie, Gott ist (nach Augustinus) gerade in dieser Welt nicht real präsent (was ja bereits der zuvor erwähnten Abbild-Theorie widerspricht), die Stadt war keinesfalls in ganz Europa ein Leitbild, denn der Europabegriff, Leitbilder oder Leuchttürme sind moderne, nachmittelalterliche Gedanken. Es ist bedauerlich, dass man bei der Formulierung solcher Erklärungen nicht enger mit Fachleuten zusammengearbeitet hat.

In dem Glasmuseum Frauenau würde man nun eine Darstellung erwarten, die dieser Beschreibung entspricht. Zunächst sieht es auch danach aus: gotisch geformte schwarze Pfeiler sollen mittelalterliches Strebewerk andeuten. Doch das Fenster, dass sich dahinter präsentiert, ist eine modere Arbeit, weder harmonisch, sondern im Gegenteil asymmetrisch, und im Stil mehr an Chagall ausgerichtet als an gotische Fenster, wie wir sie noch aus Saint-Anne in Gassicourt oder aus Sainte-Chapelle in Paris her kennen. Die Arbeit hat auch einen an ein Chagall-Werk angelehnten Titel: „Wie eine geschmückte Braut: Das Himmlische Jerusalem“ und wurde im Jahr 2003 von dem gelernten Kunstglaser und Ausbilder Gerhard Ribka aus Irsee gestaltet. Es handelt sich dabei um eine verbleite Floatglasmalerei, die in Zusammenarbeit mit der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München hergestellt wurde.

Ribka verzichtete auf typische Jerusalems-Merkmale, wie Edelsteine, Perlen, Wächterengel, Mauern, etc. Er zeigt vor einem milchigem, opaken Hintergrund drei Türme einer Stadt oder von einer Kirche. Darüber hat der Künstler rechts das rotfarbene Gotteslamm gesetzt, über dem sich der Himmel blau öffnet. Einer der Türme trägt ein lateinisches Kreuz und ist damit als Kirche und nicht als Stadttor Jerusalems zu identifizieren. Möglicherweise ist der untere Bauteil auch kein Turm, sondern die Basis des darüber gesetzten Kirchturms – die Einzelheiten lassen sich wegen der dazwischen gesetzten Sprosse leider nicht erkennen. Es kommt hier auch, anderes als vielleicht bei einem Glasfenster in einen Gotteshaus, weniger auf das Erkennen an, sondern auf das Einstimmen in den entsprechenden Sammlungsbereich des Glasmuseums. Die schwingende Malweise, der zurückhaltende aber gekonnte Einsatz von Farbe und das ausgewogene Verhältnis von Motiv zu freier Fläche erinnern hier einmal mehr an die Glasmalereien von Marc Chagall.

Claus Bernet: Neues vom Neuen Jerusalem: Kunstwerke ab dem Jahre 2000 (Teil 2), Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 42).
Sven Bauer: Glasmuseum Frauenau: staatliches Museum zur Geschichte der Glaskultur, Lindenberg 2017.

 

tags: Moderne, Glasmuseum, Kunst am Bau, Mayer'schen Hofkunstanstalt
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