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Charles Crodel (1894-1973): Mosaik der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche Berlin (1957) und Fenster der Schloßkirche Pforzheim (1958)

Nachdem die 1895 erbaute Berliner Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche im November 1943 durch Luftangriffe total zerstört worden war, wurde auf ihren alten Fundamenten nach Entwürfen von Professor Ludwig Lemmer das neue Gotteshaus gebaut. Es wurde am 30. Juni 1957 von Bischof Otto Dibelius (1880-1967) zur Internationalen Bauausstellung eingeweiht. Die deutsche und schweizerische Aluminium-Industrie schenkte der Kirche dreißig Tonnen Aluminium, neben Beton, Holz und Glas das damals wichtigste Baumaterial. 

Bei der Ausgestaltung des Innenraums strebte man bewusst einen Bruch zur traditionellen Kirchengestaltung der Vorkriegszeit an. Die Kirche sollte zum modernen Hansaviertel passen, einer Neubausiedlung in Berlin-Tiergarten. Über der Seitenempore ziert ein Mosaik mit dem Himmlischen Jerusalem die Wand. Es wurde nach einem Entwurf des Franzosen Charles (Carl) Crodel (1894-1973), der in München lebte, gesetzt. Die Gottesstadt erscheint als Hochhausfront, die stilisiert die Umgebung der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche thematisiert, wie sie während der Internationalen Bauausstellung 1957 als ideale, perfekte Behausung der Zukunft angepriesen wurde. Es ist aber letztlich nicht klar, ob diese Hochhäuser das Himmlische Jerusalem darstellen sollen, aus dem das Wasser des Lebens strömt, oder ob diese Bauten noch vor der eigentlichen Stadt stehen und noch zur irdischen, vergänglichen Sphäre gehören. Vergoldete Steine finden sich sowohl vor als auch hinter der Stadt, ebenso vereinzelt in der Architektur. Der höchste der Bauten hinten rechts hat oben einen schwarzen Punkt – dies ist keine Verschmutzung, sondern hier wurden bewusst einige schwarze Steine aneinander gesetzt. Irritierend ist auch die hölzerne Tür, die den Gesamteindruck nachhaltig stört und sogar den grünen Kreis an einer Ecke durchbricht. Es wäre ein Leichtes gewesen, das Mosaik einige Zentimeter höher zu setzen. Man könnte vermuten, dass die Tür nachträglich eingesetzt oder erhöht wurde, als das Mosaik bereits fertig gesetzt war, aber alte Fotografien zeigen, dass diese Tür vor dem Einbau des Mosaiks bereits vorhanden war.

 

Zur gleichen Zeit arbeitete der Künstler an Entwürfen für die Schloßkirche in Pforzheim, die heute als Kunst- und Kulturkirche genutzt wird. Dort sollten nach schweren Kriegsschäden im Chorbereich neue Glasfenster eingesetzt werden. Charles Crodel griff auf die in Berlin gefundene Lösung zurück, setzte sie diesmal jedoch in Glas um. Hier umfassen die Bauten die Stadt auch von der unteren Seite. Das Fenster wurde im Februar 1958 in die damals noch ruinöse Kirche eingefügt. Später sollten in diesem Bau noch zwei weitere bedeutende Glaskünstler Fenster mit dem Himmlischen Jerusalem hinzufügen, das hier schließlich drei Mal in Glas bewundert werden kann.

Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche, in: Fritz Schmidt-Clausing: Das Hansa-Viertel. Von den Schöneberger Wiesen zur ‚Stadt von morgen’. 3., ergänzte Auflage, Berlin 1957, S. 29-33. 
Charles Crodel 1894-1973. Vorwort von Alfred Hentzen, mit Beiträgen von Wolf-Dieter Dube, Doris Schmidt und Hans Kinkel, München 1974. 
Wolfgang Hütt: Carl Crodel, Dresden 1981.
Iselin Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, in: Der Bär von Berlin, 44, 1995, S. 71-90.
Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Das Hansaviertel in Berlin. Bedeutung. Rezeption. Sanierung, Petersberg 2007 (Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, 26).
Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche im Hansaviertel in Berlin, hrsg. von der Gemeinde der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, Berlin 2014.

 

tags: Bundesland Berlin, Hochhaus, Moderne, Nachkriegskunst, Lebensfluss, Pforzheim, Schwarzwald
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