Zu den späteren Monographien mit Jerusalems-Abbildungen von Seiten der US-amerikanischen Adventisten gehört „Beacon Lights of Prophecy“, eine Missionsschrift, die 1935 in Washington erschien. Der Verfasser war nicht ein Herr Beacon, sondern William Ambrose Spicer (1865-1952), ein Geistlicher der Siebenten-Tags-Adventisten und von 1922 bis 1930 Präsident ihrer Generalkonferenz. Eines seiner Hauptschriften war dieses „Leuchtfeuer der Prophetie“, welches aus diesem Grund – ungewöhnlich für die damalige Zeit – bereits mit hochwertigen Farbabbildungen ausgestattet wurde.
Seite 400 bringt die Abbildung „The new earth“, also „Die neue Erde“, wie Adventisten der USA die Stadt schätzen: Ein gewaltiges Tor, der begradigte Lebensfluss, die weißen Bauten im Hintergrund, mit Strahlenkranz in den Farben des Regenbogens. Vor allem die Menschen, die in Richtung der Stadt strömen, gehören zum gängigen Topos einer adventistischen Jerusalems-Erzählung. Genaugenommen ist die Jerusalemsarchitektur hier auf drei Baukörper verteilt: Wir haben das breite braunfarbene Tor, welches zugleich als Rahmen für die Illustration dient. Eine Besonderheit: An den Seiten scheint das Neue Jerusalem durch Säulen und Mauerwerk hindurch wie ein Schleier. Die Pforte, die eigentlich ein Triumphbogen ist, zeigt neoromanische Bauformen, dem bewusst eine moderne Stadt am Ende des Weges und am Ende der Zeit gegenüber gestellt ist. Dort findet sich zweitens eine Hochhaus-Stadt im Hintergrund und drittens eine Reihe weißer Tempelbauten an der rechten Seite. Diese Farbzeichnung kann T. K. Martin zugewiesen werden, einem professionellen Illustrator aus den USA, der regelmäßig an adventistischen Publikationen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitarbeitete. In den 1940er Jahren arbeitete er als Sachverständiger für Kunst für die Zweitschrift Review and Herald.
Seite 404 von „Beacon Lights of Prophecy“ zeigt, wie einer der herbeiströmenden Menschen von Christus vor dem Himmelstor in Empfang genommen wird. Von der einfarbigen Zeichnung ist der Verfasser nicht namentlich bekannt, er wird aus dem Umkreis der Adventisten zu vermuten sein. Rechts unten scheint sie signiert zu sein, aber das Akronym konnte bislang noch nicht entschlüsselt werden. Vielleicht ist es auch ein Symbol oder es sind ineinandergeschobene Buchstaben.
Beliebt zu dieser Zeit war bei Adventisten, Christus im weißen Gewand und mit Krone darzustellen (so v.a. Paul Remmey und Harry Anderson), er ist der König und Herrscher der zukünftigen Stadt bzw. Welt. Die eigentliche Stadt hingegen tritt im Gegensatz zu den Figuren in den Hintergrund, sie ist zudem blass und verwaschen gezeichnet. Imposant ist hier die hohe, kahle Mauer, die von einem Tor rechts über der Christusfigur unterbrochen ist.
Claus Bernet: Freikirchen, ‚Sekten‘, Denominationen, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 9).