Stabile-Familie: Italienische Maria Immaculata-Darstellungen aus der Basilikata (um 1565, 1568)
San Francesco d’Assisi ist eine römisch-katholische Barockkirche im süditalienischen Matera, einer Stadt auf einer felsigen Landzunge in der Region Basilicata, wo es selbst schon so aussieht wie auf Patmos. Im Inneren der Kirche finden sich zahlreiche Malereien verschiedener Künstler des 16. Jahrhunderts. Bei einem der jüngeren Ölgemälde handelt es sich um eine typische Darstellung der Maria Immaculata mit ihren zahlreichen Symbolen, wie es in katholischen Ländern über Jahrhunderte populär war. Während wir viele Beispiele aus Frankreich und Spanien kennen, sind Immaculata-Ölgemälde aus Italien seltener. Vermutlich handelt es sich hier um eine Arbeit von Costantino Stabile aus der gleichnamigen Künstlerfamilie, die während des 16. Jahrhunderts in Süditalien Kirchen und auch Klöster mit Gemälden ausstattete. Eine ganz ähnliche, aber schlechter erhaltene Maria Immaculata aus der Stabile-Werkstatt befindet sich übrigens in der Grottenkirche San Michele Arcangelo in Sant’Angelo a Fasanella in Kampanien, auch die spätere Deckengestaltung von San Marcello al Corso in Rom (1605) ist davon beeinflusst.
Entstanden ist das in San Francesco d’Assisi befindliche Ölgemälde um 1565. Es schmückt einen Seitenaltar der Kirche. Im oberen Bereich ist links eine geöffnete Himmelspforte zu finden. Sie besitzt Doppelsäulen und eine Treppe führt nicht zur, sondern direkt durch die Pforte. Links unten ist die Stadt Gottes angebracht, mit massiven Festungsmauern und unzähligen Häusern im Inneren. Beide Motive sind detailliert, ja verspielt ausgeführt, der Auftraggeber hatte genügend Geld für solch eine aufwendige Ausführung.
Kurz darauf wurde in der Stabile-Werkstatt ein weiteres Ölgemälde der Maria Immaculata fertiggestellt. Hierfür war in erster Linie Antonio Stabile verantwortlich. Eines seiner Hauptwerke ist eine Darstellung der Maria Immaculata aus der Kirche Sant’Antonio di Padova in Salandra, ebenfalls in Basilikata. Dort ist es die zentrale Malerei des Hochaltars. Die Arbeit basiert auf Temperafarben und hat eine Gesamtgröße von 170 x 115 Zentimetern. Sie wurde 1568 in Auftrag gegeben und konnte zwölf Jahre später vollendet werden. Der Aufbau und die Ausgestaltung sind traditionell. Oben rechts ist die Himmelspforte zu finden, unten rechts die Civitas Dei. Beide Details sind, wie bereits zuvor bei dem Werk aus Matera, an einem lateinischen Spruchband zu identifizieren, also als Porta Coeli bzw. Civitas Dei. Interessanterweise sind bei den Gemälden die Positionen der Bildsymbole seitenvertauscht worden, also im Falle der Gottesstadt von rechts unten nach links unten, im Falle der Himmelspforte von mittig links nach mittig rechts. Die Gottesstadt ist auf beiden Gemälden gleich, die Himmelspforte in Matera klassizistisch, in Salandra an zeitgenössischer Festungsarchitektur orientiert, mit zwei gerundeten Seitentürmen.
Antonella Miraglia: Antonio Stabile. Un pittore lucano nell’età della controriforma, Potenza 1992.
Stefano De Mieri: Leonardo Grazia da Pistoia, Antonio e Costantino Stabile tra Napoli e la Lucania, in: Francesco Abbate (Hrsg.): Ritorno al Cilento, 2017, S. 60-66.
Beitragsbild: Sailko, Scuola lucana, immacolata concezione con gli attributi mariani, xvii secolo, 01, CC BY 3.0