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Hildegard Bienen (1925-1990): Schmuckplastik in der ehemaligen Kirche St. Anna, Gelsenkirchen (1970)

St. Anna war eine römisch-katholische Kirche im Gelsenkirchener Ortsteil Schalke-Nord (Ruhrgebiet). Nachdem 1944 der Vorgängerbau durch Bombentreffer in sich zusammensackte, wurde nach Jahren des Provisoriums Ende der 1960er Jahre ein Neubau angegangen. Im damaligen Bauwahn musste als gigantisch und überdimensioniert sein, als würde sich die Welt zum Katholizismus bekehren. Stimmen der Bescheidenheit, die es damals ebenso gegebene hat, wurden ignoriert. Nach Plänen des Architekten Paul Günther (1908-1975) wurde durch die Firma Wissing eine hallenartige Kirche für zweitausend Gläubige errichtet. Bei den Planung fanden von Anfang an die Arbeiten der Bildhauerin Hildegard Bienen (1925-1990) Berücksichtigung. Die Kunstwerke in der St. Anna Kirche, darunter diese Schmuckplastik, sind wegen ihrer harmonischen Gesamtwirkung und Beziehungen zu anderen, späteren Arbeiten, ein Hauptwerk Bienens.
Im Zentrum der Kirche, im Schnittpunkt der zentralen Wände vor dem Altar, hängt unten ein Kruzifix, darüber ein Relief mit dem Himmlischen Jerusalem. Durch zwei Ketten sind beide Werke miteinander verbunden. Das Himmlische Jerusalem besteht aus einzelnen Bronzeteilen, die zu einem Quadrat zusammengesetzt wurden. Dieser Teil des Gesamtwerks ist ca. 130 Zentimeter breit und hoch. Wie unten der gekreuzigte Christus im Zentrum steht, ist es oben der auferstandene Christus, in Gestalt des Lammes. Bei Bienen wird, wenn die Künstlerin das Himmlische Jerusalem darstellt, fast immer auf das Lamm zurückgegriffen (beispielsweise 1967 bei einem Tabernakel für St. Cyriakus in Bottrop oder 1980 bei ihrem Fenster in St. Paul in Bocholt, Münsterland). In St. Anna besteht der äußere Rand der Schmuckplastik aus Toren und aus Hausbauten, durch deren Fenster und Türen der Betrachter hindurchsehen kann. Was bei der Umrandung nun die Tore darstellt, und was die Fenster oder andere Öffnungen, entzieht sich einer eindeutigen Zuweisung. Für Bienen ist der künstlerische Gesamteindruck entscheidend, und nicht die detailgetreue Wiedergabe des Einzelnen. So wurde auch auf die Darstellung des Lebensbaums und des Lebensstroms verzichtet.

Nachdem sich Schalke-Nord zu einem Stadtteil osteuropäischer Zuzügler gewandelt hat, ist die katholische Bevölkerung so gut wie eingegangen. 2007 musste die Kirche geschlossen werden, ist aber weiterhin im Besitz des Bistums Essen. Seit 2009 wird sie von dem Sozialwerk St. Georg für Veranstaltungen aller Art genutzt, etwa für Quartierstreffen, Konzerte, Feiern, etc.

Leonard Küppers: Hildegard Bienen, Recklinghausen 1977.
Claus Bernet: Liturgica und Kirchenschmuck, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 12).

 

tags: Gelsenkirchen, Ruhrgebiet, Hildegard Bienen, Schmuck, Bronze
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