1686 erschien im Nürnberger Verlag Johann Andreas Endters Söhne eine neue Bibelausgabe, die „Ernestinischen Kurfürstenbibel“ (oder Weimarer Bibel), die dem Herzog Friedrich zu Sachsen-Weimar, Jülich, Cleve und Berg gewidmet ist. Dem 21. Kapitel der Apokalypse ist zwar kein neues Himmlisches Jerusalem beigegeben, aber den Episteln des Paulus ist, gemeinsam mit der Offenbarung des Johannes, ein neues Zwischentitelblatt vorangestellt. Elf namentlich bekannte Kupferstecher haben an dem Band mitgewirkt, so dass einzelne Blätter sich kaum einem bestimmten Künstler zuordnen lassen, außer wenn sie signiert sind. Im vorliegenden Blatt ist das glücklicher Weise der Fall, und so wissen wir, dass der Stich von Gabriel Ehinger (1652-1736) aus Augsburg stammt.
Auf dem kleinen Kunstwerk mit schlichter Rahmung, welches in der Bibelausgabe auf dem Zwischentitelblatt zwischen den Seiten 738 und 739 unten rechts zu finden ist, wurde das Neue Jerusalem ähnlich wie in einer Lutherbibel des Wittenberger Verlages Wust von 1664 dargestellt: Aus einer Ebene erhebt sich eine hochgebaute, orientalisch anmutende Stadt – ein Eindruck, der vor allem durch die pralle Sonne, die kahle Landschaft wie auch durch die fremdländisch wirkende, mächtige Kuppel in der Stadtmitte hervorgerufen wird. Nach der biblischen Textvorlage dürfte es hier keinen Tempel geben. Im 17. Jahrhundert hatte sich jedoch aus immer größer werden Grabeskirchen und Zionsbergen schließlich ein monströser Rundtempel entwickelt, ohne dem es nicht ging. Wichtige Vorstufen hierzu waren, neben der erwähnten Lutherbibel von 1664, auch „Theatrum biblicum“, dann die Scheitsbibel und emblematische Werke wie „Amoris divini“.

Rolf-Dieter Jahn: Die Weimarer Ernestinische Kurfürstenbibel und Dilherr-Bibel des Endter-Verlags in Nürnberg: 1641-1788, Odenthal bei Köln 1986.
Stefan Strohm, Peter Amelung, Irmgard Schauffler, Eberhard Zwink (Bearb.): Deutsche Bibeldrucke: 1601-1800, Stuttgart 1993, S. 252-254 (Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, 2. Abt., 2, 1).
Claus Bernet: Holzschnitte und Kupferstiche, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 3).