Das beeindruckende, leicht konkav gebogene Glasfenster, entworfen von Bernhard Schagemann (1933-2016), dem früheren Leiter der Zwieseler Glasfachschule, stellt die sieben Siegel aus der Offenbarung des Johannes und das Himmlische Jerusalem zusammen dar. Die Stadt ist mit weißen Toren auf roter Mauer dargestellt. Jeweils drei Tore wurden zusammengefügt und an eine der Himmelsrichtungen gesetzt. Es sind schmale, hohe Bögen ohne besondere Verzierungen. Rote Mauern führen von Tor zu Tor, die mit weißen Steinen besetzt sind, die für die Perlen oder Edelsteine der Stadt stehen. In der Mitte befindet sich hier ein Dreieck als Symbol für die Dreieinigkeit.
Um das Himmlische Jerusalem herum findet man die sieben roten Siegel: eine Krone mit Pfeil, ein Schwert, ein Kreuz, die Sonne und den Mond, ein Gewand, eine Waage und eine Sanduhr. Die genaue Bedeutung dieser Symbole ist dem Apokalypsetext zu entnehmen, eine Darstellung in diese Form ist selten. Als ich den Künstler 2002 zu dem Symbol befragte, gab er zur Auskunft, es sei als ein memento mori zu verstehen, für diejenigen, die vor dem Fenster stehen. Ganz bewusst habe er oben noch genügend Sand dargestellt, als ein Zeichen, dass noch Zeit zur Umkehr vorhanden sei.
Das Fenster mit einem Hintergrund in verschiedenen Blautönen nimmt die Wandfront hinter dem Altar der Kirche ein. Nachdem sich die evangelischen Christen in Bodenmais (Niederbayern) einige Jahre in einer provisorischen Holzbaracke zu Gottesdiensten versammelt hatten, wurde im September 1962 der Grundstein für die St. Johanneskirche gelegt und diese am 10. November 1963 mit diesem Fenster feierlich eingeweiht.
Ines Kohl: Elegant und bodenständig, in: Lichtung, 22, 1, 2009, S. 5-7.
Zum Künstler:
Bernhard Schagemann wurde am 2. März 1933 in Bad Waldsee in Oberschwaben geboren. Er studierte von 1954 bis 1960 an der Münchner Akademie der Bildenden Künste Bildhauerei, Malerei und Glasgestaltung. Es folgten einige Jahre der Selbstständigkeit, wo er an Kirchenfenstern arbeitete, bis er 1964 seine Lehrtätigkeit als Fachlehrer für Glasgestaltung an der Glasfachschule Zwiesel, unweit von Bodenmais, aufnahm. Von 1984 bis 1996 leitete er diese Schule und organisierte eine Kooperation mit der italienischen Mosaikschule Spilimbergo. Nach seiner Pensionierung war Schagemann in Lindberg freischaffend tätig, zahlreiche Glasschalen, Pokale, freie Plastiken und anderes im Material Glas entstand. Schagemann engagierte sich von 1995 bis 2010 im Museumsbeirat des Waldmuseums Zwiesel und war an der Neukonzeption des Glasmuseums Frauenau beteiligt, welches ebenfalls das Neue Jerusalem in Glas von Gerhard Ribka zeigt. Bis zuletzt war Schagemann künstlerisch tätig und verstarb nach schwerer Krankheit am 13. Juni 2016.