
Es handelt sich bei der Abbildung um ein Detail einer Illustration aus dem Jahre 1441 aus einem lateinischen Manuskript, welches im Tschechischen Nationalmuseum aufbewahrt wird (Signatur XVIII.B.18). In diesem Band sind biblische Texte, Gebete und Danksagungen miteinander vereint. Fol. 540v, welches die Weltgerichtsdarstellung zeigt, ist die viertletzte der 546 Blätter und schließt den Band gewissermaßen ab. Links unten sieht man eine Bossequaderung aus fünf Lagerungen, über denen Zinnen ansetzen. Unmittelbar darüber wachsen Bäume empor, als würde die himmlische Stadt der Paradiesgarten sein. Diese Bäume sind noch an gotischer Formsprache angelehnt. Rechts befindet sich eine geschlossene Pforte, vor der Petrus mit einem Schlüssel positioniert ist. Über ihm weckt ein Engel mit einer Posaune die Toten, die, mit erwartungsfreudiger Miene, zur Pforte blicken. Die Illustration an der Wende von der Gotik zur Renaissance ist einfach bis ungelenk, sie wurde schnell gezogen und ebenso schnell koloriert. Vor allem war dem Künstler die Zeichnung menschlicher Körper ungewohnt, etwas besser steht es mit der Proportion bei der Architektur. Während die ersten Bebilderungen des Manuskripts noch sorgfältig und zeitaufwendig gestaltet wurden, hat die Qualität nach hinten merklich nachgelassen.
Alexander Patschowsky: Totentanz, hussitische Revolution und Prager Universität. Ein dalmatinischer Student der Carolina wird Schuster und Calligraph, in: Derss.: Ketzer, Juden, Antichrist, Prag 1995, S. 144-165
Pavel Brodský: Katalog iluminovaných rukopisů Knihovny Národního muzea v Praze, Praha 2000.
Marie Tošnerová: Rukopisné fondy muzeí a galerií v České republice. Průvodce po rukopisných fondech v České republice, Bd. III, Praha 2001.