Suche
Close this search box.

Marienlitaneien aus dem katholischen Kulturraum (18. und 19. Jh.)

Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert wurden Bildtafeln vertrieben, auf denen zahlreiche Symbole Mariens aneinander gereiht sind. Sie waren mit dem Text der Lauretanischen Litanei versehen und wurden fast immer in katholischen Wallfahrtszentren an die Pilger verkauft. Der Zweck der Schau- oder Lehrtafel ist nicht eindeutig zu bestimmen, sicherlich ging es auch um die Propagierung der Marienverehrung. Genau so gut konnte diese Tafel bei Gottesdiensten oder Prozessionen Einsatz gefunden haben. Andere vermuten, dass der oder die Künstler kleine Bildchen vertrieben, nach denen dann größere Werke in Auftrag gegeben werden konnten. Es waren Massenprodukte ohne künstlerischen Anspruch, billig gedruckt und gelegentlich von Hand koloriert. Einst waren die Flugblätter Massenware, heute sind sie eher selten. Traditionell lässt sich unter den vielen Mariensymbolen auch immer die, wahlweise geöffnete oder geschlossene, Himmelspforte finden.
Eine frühe Zeichnung hat im Original den englischsprachigen Titel „A table of Christian signs, symbols and images; top centre the Virgin of Loreto“, übersetzt etwa: „Eine Tafel christlicher Symbole und Bilder, im Zentrum die Jungfrau von Loreto“. Die Schau- oder Lehrtafel der Gesamtgröße von 31 x 21 Zentimeter vereint zahlreiche bekannte und weniger bekannte Symbole Mariens, jedes mit einem kleinen Bildchen versehen, samt lateinischer Bezeichnung. Das vierte Bildchen der sechsten Reihe präsentiert die Himmelspforte, zweifelsohne ein sehr bekanntes Mariensymbol. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein barockes Tor, welches offen zu sein scheint. Entwerfer wie Stecher dieser Arbeit sind namentlich nicht bekannt, vermutet werden Künstler aus dem Vatikan, wo diese Zeichnung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angefertigt wurde. Dieses Exemplar hat sich in der Londoner Wellcome Library erhalten (Signaturnummer 31801i).

 

Diese kolorierte Handzeichnung ist bedruckt mit der Aufschrift „Litanie tot O. L. V. van Lauretten“. Sie wurde 1799 durch Franciscus Bontamps gedruckt und ist unten dementsprechend datiert. Auf der Rückseite ist sie von S. J. Robitsch in ´s-Gravenhage, also in Den Haag, approbiert worden. Aufgrund der niederländischen Beschriftungen hat das Blatt wohl in katholischen Kreisen Hollands Verbreitung gefunden. Unter den zahlreichen Symbolen findet man als erstes Bildchen der siebten Reihe eine Repräsentation der Himmelspforte, dementsprechend unterschrieben mit: „Deure des Hemels“ (Tür des Himmels). Der kleine Ausschnitt des insgesamt 40 x 33 Zentimeter großen Blattes gibt einen guten Eindruck von der Qualität des Kunstwerks: Es handelt sich um eine schnell angefertigte Gebrauchsgrafik ohne besonderen künstlerischen Anspruch. Die einzelnen Symbole sollten schnell erkennbar sein und wurden mit einem groben Borstenpinsel in unterschiedlichen matten Farben grün, gelb oder braun aufgetragen. Das erhaltene Exemplar wurde 1985 vom Reichsmuseum Amsterdam angekauft und findet sich dort unter der Signatur RP-P-1985-93.

 

Eine dieser Bildtafeln ist bedruckt mit der zweisprachigen Aufschrift „Litanie tot Onze Lieve Vrouwe van Lauretten. Litanies de la Sainte Vierge Marie“. Aufgrund der niederländischen und französischen Beschriftungen hat das Blatt wohl in katholischen Kreisen Hollands und Nordostfrankreichs Verbreitung gefunden. Es kann nicht auf ein Jahr datiert werden, ist aber mit Sicherheit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Gedruckt wurde es in Belgien. Unter den zahlreichen Symbolen findet man als erstes Bildchen der siebten Reihe eine Repräsentation der Himmelspforte, dementsprechend unterschrieben mit: „Deure des Hemels“ bzw. „Porte du Ciel“ („Tür des Himmels“).

 

Ebenfalls dem 19. Jahrhundert wird diese Himmelspforte zugeordnet. Sie ist in der Lombardei entstanden, möglicherweise als diese Region von den Habsburgern regiert wurde. Im Unterschied zu anderen hier versammelten Beispielen handelt es sich um eine Ölmalerei von nicht weniger als 55 verschiedenen Motiven, die in fünf Reihen übereinander gesetzt wurden. Dasjenige Motiv mit der Pforte befindet sich in der Mitte der vierten Reihe. Leider ist der Erhaltungszustand schlecht, Einzelheiten lassen sich nur noch erahnen. Noch erkennbar ist, dass die Pforte mit zwei Säulen klassisch gehalten ist, offen steht, und einen blauen Hintergrund hat. Möglicherweise ist ihr ein Wappen aufgesetzt. Maler, Auftraggeber, heutiger Aufbewahrungsort: alles unbekannt.

 

Von einer anderen Bildtafel kennen wir den Künstler und das Entstehungsjahr. José María Marés (1804-1875) war ein Künstler und Drucker aus Barcelona. 1861 veröffentlichte er in Madrid einen 44 x 30 Zentimeter kleinen Holzschnitt mit dem Titel „Letania de la santisima virgin“. Eines seiner Flugblätter hat sich im New Yorker Metropolitan Museum of Art erhalten. Auf diesem sind zahlreiche kleine Marienbilder phantasielos aneinander gereiht, die mit ihren unterschiedlichen Symbolen ausgestattet sind. Eines der Felder zeigt die Heilige Maria, die von einer Himmelspforte wie von einem Bilderrahmen umfasst ist.

 

Noch jüngeren Datums ist diese Marienlitanei. Die Zeichnung hat im Original den unten angegebenen Titel „Die Lauretanische Litanei“, der gängige Begriff für dieses Genre. Es handelt sich bei dem gesamten Bild um eine komplexe Schau- oder Lehrtafel. Jedes Motiv wurde mit einem kleinen Bildchen versehen, samt deutscher Bezeichnung, darunter stets der Vers: „Bitte für uns“. Das erste Bildchen der sechsten Reihe präsentiert die Himmelspforte. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein barockes Tor, welches offen zu sein scheint. Über der Pforte schwebt eine Marienfigur und hält segnend ihre Hände, unter der Pforte schwebt ein Engelskopf. Entwerfer wie Stecher dieser Lithographie sind namentlich nicht bekannt. Entstanden ist sie um 1880 als Massenware für katholische Gläubige im deutsch-niederländischen Grenzraum. Der Zweck der Schau- oder Lehrtafel ist nicht eindeutig zu bestimmen, sicherlich ging es auch um die Propagierung der Marienverehrung. Genau so gut könnte diese Tafel bei Gottesdiensten oder Prozessionen Einsatz gefunden haben.

 

Eine letzte Zusammenstellung der Marienlitanei, deren Symbole immer noch in der Reihe wie in den vorangegangenen Editionen angeordnet sind, entstand in Italien in den 1920er Jahren. Auch hier findet man die Pforte zwischen dem Altar links und dem Marienstern rechts, in der sechsten Reihe. In dieser Anordnung werden die Symbole auch in der Litanei erwähnt, daher verändert sie sich nicht. Unverändert ist auch die lateinische Sprache, in der das Gebet, jetzt auch „Ora pro nobis“ genannt, weiterhin gesprochen wurde. Allerdings handelt es sich meist um Küchenlatein; so heißt die Pforte hier auf einmal „Junua Celis“ (statt „Janua Coeli“). In der Gestaltung der Pforte (wie auch der übrigen Symbole) kehrte man zu den ersten, frühen Fassungen zurück; die römisch-katholische Kirche setzte auf Bewährtes.

 

tags: Pilger, Belgien, Niederlande, Himmelspforte, Flugblatt, Bildtafel, Wallfahrt, Maria Immaculata, Reichsmuseum Amsterdam, Metropolitan Museum of Art New York, Kupferstich, Volkskunst, Massenware, Lithographie, Gegenreformation, Marienfrömmigkeit, Loretto, Lehrtafel, Wellcome Library, Lombardei
Share:
error: