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MS néerlandais 3: Flämische Apokalypse (1400-1410)

Diese flämische Apokalypse wurde in Brügge für Adelige zu Beginn des 15. Jahrhunderts angefertigt. Heute findet sich die Handschrift in der Französischen Nationalbibliothek in Paris (MS néerlandais 3). Die Mauern der Stadt sind hier gewissermaßen anbetende Engel, in farblich unterschiedlichen Gewändern. Sie haben sich nach innen, zur Stadtmitte hin, gekehrt. Über den Engeln erhebt sich ein Maßwerk im Flamboyantstil, was der Stadt etwas Luzides und Leichtes verleiht. Schon in einer englischen Apokalypse um 1350 wurde diese Darstellungsweise gewählt (MS. Bodl. 401), was die Interpretation stützt, die Kirchenfenster der Kathedralen hätten das Bauwerk als Neues Jerusalem erlebbar gemacht. Das Problem ist nur, dass es dem mittelalterlichen Gläubigen wie einst Johannes lediglich vergönnt war, die Stadt von außen zu bewundern, während die Gewissheit, sich bereits im Himmlischen Jerusalem zu befinden, als häretische Vorwegnahme göttlicher Jurisdiktion gegolten hätte.
Auf fol. 19 befindet sich in der Stadtmitte ein weißes Christuslamm, welches seinen Kopf rückwärts richtet. Umgeben ist das Lamm von den vier Fabelwesen der Evangelisten auf den Ecktürmen der annähernd quadratischen Stadt. Über ihr erscheint Gottvater mit der Weltkugel in seiner linken Hand. Links am Bildrand steht Johannes, dessen blaues Gewand zunächst wie eine Fortsetzung des Himmels erscheint. Betrachtet man diese Figur genauer, kann man über ihm weitere Engel entdecken. Einer von ihnen ist durch rote Flügel hervorgehoben, mit einem langen Messstab deutet er in die Stadt, auch, um sie zu vermessen. Unter ihr haben sich vier Könige versammelt, die goldene Gerätschaften in die Stadt tragen (Apokalypse Kap. 21, Vers 24) – eigentlich überflüssig, da die Stadt zum größten Teil bereits aus Gold besteht.

 

Zusätzlich zeigt die spätmittelalterliche Handschrift auf fol. 5 links unten das Neue Jerusalem im Rahmen einer kleinen Torszene. Ein Engel greift dort beherzt einen Heiligen und zieht ihn von unten nach oben in die rettende Stadt. Der Baukörper besteht aus einer zweiläufigen Treppe, einheitlich in rosa gefasst, und einem viereckigen Torbau, einheitlich in grau gefasst. Es handelt sich eindeutig um eine Miniatur eines anderen Malers als fol. 19 und zeigt bereits Anklänge an die Frührenaissance.

Nelly de Hommel-Steenbakkers: Een openbaring: Parijs, Bibliothèque Nationale, Ms néerlandais 3, Nijmegen 2001.
Manuel Moleiro Rodriguez (Hrsg.): Flämische Apokalypse, Barcelona 2004.
Nelly de Hommel, Jos Koldeweij, Mónica Miró (Hrsg.): Flemish Apocalypse, Barcelona 2005. 

 

tags: Französischen Nationalbibliothek, Paris, Flamboyant, Flämisch, Brügge, Himmelspforte, Frührenaissance
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