Einige Darstellungen aus den Anfangsjahren der Familienzeitschrift „Stadt Gottes“ wurden bereits vorgestellt. Nach dem Ersten Weltkrieg erfuhr die katholische Familienzeitschrift „Stadt Gottes“ eine künstlerische Erneuerung. Waren die Illustrationen des Neuen Jerusalem bislang traditionell und wenig innovativ, so finden sich nach 1918 in dieser Zeitschrift zeitgemäße, durchaus interessante Beiträge.
1919 (Band 43) präsentiert die Zeitschrift ein neues Titelblatt, „von der Zensurstelle der 4. Zone genehmigt“, wie ausdrücklich darauf vermerkt ist. Die Arbeit, deren Künstler oder Künstlerin wir nicht kennen, ist deutlich vom Jugendstil beeinflusst. So sind die beiden Kuppeln an das Wiener Secessionsgebäude angelehnt, welches von Joseph Maria Olbrich 1897/98 geschaffen worden waren, freilich ohne die drei Engel und ohne das lateinische Kreuz. In der Mitte findet sich in der Pforte ein dritter Engel, der einen Palmzweig nach oben hält.
Das Titelblatt zum ersten Heft des neuen Jahrgangs 48 (1924) zeigt eine Taube, die doch sehr einem deutschen Reichsadler ähnelt. Unter dem eigenartigen Vogeltier hängt eine sackartige Ausbuchtung, die mit der Stadt Gottes auf Wolken angefüllt ist. Von der Stadt sieht man ein Haupt- und zwei Nebentore, alle mit mittelalterlichen Zinnen bestückt. Künstler oder Künstlerin dieser expressionistischen Vignette sind unbekannt.
1925 wurde in Heft 1, Band 49 ein neues Titelblatt eingeführt. Es ist die bislang modernste und ungewöhnlichste Zeichnung dieser Familienzeitschrift. Über Nebelschwaden erhebt sich auf dem Tafelplateau des Zionsbergs die Stadt Gottes, umschlossen von einer runden Stadtmauer. Hinter dem Haupttor vorne reihen sich niedrige Häuser aneinander, die die Stadt komplett ausfüllen. Lebewesen, wie Engel, das Lamm Gottes oder Heilige sind nicht zu sehen. Die futuristische Zeichnung von unbekannter Hand erinnert an damals diskutierte Filmkulissen, etwa die des Films Metropolis.
Zum ersten Oktober 1925 präsentierte sich die Zeitschrift „Stadt Gottes“ erneut mit einem veränderten Titelblatt. Die Arbeit des namentlich nicht bekannten Künstlers ist im expressionistischen Stil gehalten. Dies trifft vor allem auf die Zwickel zu, in welche gekrümmte Engel gesetzt sind. Dazwischen schiebt sich eine blaue Stadtmauer mit einem offenen Tor in der Mitte. Die Abschnitte der Mauer sind konvex zum Betrachter hin gezogen, was vor allem der Dreiecksform des Mittelbildes geschuldet ist. Über 1925 hinaus wurde diese Zeichnung für weitere Titelblätter von „Stadt Gottes“ gerne verwendet, auch in einer nicht kolorierten Fassung.
Diese Zeichnung erinnert an Karl Friedrich Schinkels Arbeiten während seiner neugotischen Schaffensphase und ist sicherlich davon inspiriert. Unter dem Titel der Zeitschrift ist eine gewaltige Kathedrale im gotischen Stil gesetzt, unzählige Strebepfeiler schieben den Bau in die Höhe, der ganz oben von einem Abendmahlskelch überwölbt ist (hier nicht zu sehen). Im unteren Bereich formieren zahlreiche Seitenkapellen eine Mauer. Der runde Bau scheint an vier Seiten seine Eingangstore zu haben. Wichtig ist auch die waldreiche Umgebung, die einen romantischen Gegensatz von Kultur zu Natur hervorruft. Man findet das anonyme Werk erstmals als Titelblatt des 55. Jahrgangs (1931/32). Während der folgenden Jahrgänge zierte dann diese Zeichnung regelmäßig die Cover von „Stadt Gottes“.
Viele Einbände der Zeitschrift waren einst mit aufgedruckten und auch eingravierten Illustrationen ausgestattet. In den wenigsten Fällen haben sich diese erhalten, da Bibliotheken meist ihre Zeitschriften neu binden, wobei dann Einbandillustrationen „entsorgt“ werden. Ein seltenes Beispiel des Einbands von 1932 zeigt das Neue Jerusalem auf türkisfarbenen Wolken, umgeben von einem Strahlenkranz. Es ist mit Goldfarbe belegt, die langsam abblättert, so dass der grünfarbene Untergrund zum Vorschein kommt. Im Vordergrund ist ein mittelalterliches Tor zu erkennen, dessen Fallgitter nach oben gezogen ist. Von diesem Tor aus schieben sich an beiden Seiten die Mauern nach hinten. Die innere Stadt ist mit zahlreichen Bauten angefüllt. Schon einmal, 1911, wurde die Stadt ganz ähnlich dargestellt, es handelt sich vermutlich um die Arbeit des selben Künstlers (Titelblatt des 27. Jahrgangs 1903/1904).
Das Titelblatt zur Septemberausgabe 1932 (55. Jahrgang, 1931/32) zeigt nicht Johannes und den Engel, sondern eine Heilige und einen weiblich aussehenden Engel (oder, worauf der Heiligenschein hindeutet, eine weitere Heilige). Leider ist die interessante Arbeit nicht signiert. Jerusalem erscheint zwischen den Frauen als Ansammlung zahlloser Kirchen, manche mit einem Kreuz bekrönt. Drei Rundbogentore sind hervorgehoben, wobei das dritte Tor über die beiden Tore im Vordergrund gesetzt ist. Die graublaue Stadt ist in Wolken gehüllt, unten erscheint das Edelsteinfundament oder Treppen wie zum Aufgang einer mittelalterlichen Kathedrale (etwa bei St. Michael und St. Gudula in Brüssel).
In manchen Fällen, wie wir gesehen haben, schmückten die Illustrationen mit der Gottesstadt das Cover der Einbände zu den einzelnen Jahrgängen der Zeitschrift. Das gilt auch Einband des 63. Bandes 1939/1940. In einer Gloriole, die mit ihren Strahlen an eine Sonne angelehnt ist, erhebt sich auf Felsen die goldene Stadt. Unten sticht ein mittelalterliches Tor mit zwei Türmen hervor, oben eine mit einem lateinischen Kreuz versehene Kuppel, die die Stadt überwölbt. Die innere Stadt ist von zahlreichen Wohnbauten angefüllt, die steil nach oben gesetzt sind, rechts sind weitere Kirchen oder Kapellen angedeutet. Lebende Personen, wie Engel, Jesus, Heilige etc. fehlen gänzlich. Unten gehen die Felsen in blaue Wolken über, auf denen die Stadtvision schwebt.