Das Kloster Dochiariu (griechisch Ι. Μ. Δοχειαρίου) befindet sich auf dem Berg Athos auf der gleichnamigen Halbinsel Griechenlands. In dieser entlegenen, aber geschützten Gegend hatten sich bereits im frühen Mittelalter zahlreiche Klöster des griechisch-orthodoxen Ritus niedergelassen, um hier in Ruhe ein Leben der Anbetung und Kontemplation zu führen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde auch gezielt Kunst eingesetzt. In den Bauten findet man fast überall Freskenmalereien, die kunstgeschichtlich und kunstwissenschaftlich noch lange nicht inventarisiert oder gar abschließend erforscht sind. Das Kloster Dochiariou wurde vor 1013 durch den Namensgeber Dochiarius gegründet und befindet sich am jetzigen Ort seit ca. 1100. Der heutige Klosterbau, der verwinkelt an einem Hang um die Hauptkirche angelegt ist, stammt aus dem 16. Jahrhundert und wird durch einen markanten Bibliotheksturm im hinteren Bereich deutlich überragt.
Das Fresko zum Himmlischen Jerusalem in Dochiariou ähnelt dem zu Dionysiou, beide Werke stehen in Abhängigkeit zueinander. Die Darstellungen sind als jeweils letztes Bild eines Apokalypsezyklus im Refektorium der Klosteranlage zu finden. Rot, weiß, schwarz und golden sind die vorherrschenden Farben dieser Darstellung. Rechts oben steht Johannes mit einem Engel. Dieser ist in Tradition des Erzengels Michael dargestellt, den das Kloster Dochiariou jeden 8. November als seinen Schutzpatron feiert. Vor ihnen breitet sich eine Stadt aus, deren unterschiedliche Dächer und Enge der Straßen eine für orthodoxe Kunst ungewohnte Lebendigkeit mit großem Detailreichtum zeigen. Vorne stehen drei gewaltige Tore, in denen je ein stehender Engel wacht. Die Stadtmauer dazwischen ist mit Arabesken geschmückt, ähnlich wie auf einer Ikone aus Kreta. Im Hintergrund sind viele Kirchtürme und Kirchenkuppeln zu erkennen, im Falle von Dochiariou wurde u.a. die Hagia Sophia dargestellt.
Bereits auf dieser frühen Fassung findet man oben, gegenüber dem Engel und Johannes auf Patmos, ein Dreieck, von dem Strahlen ausgehen. Es sind abwechselnd gerade und geschwungene Strahlen, die göttliches Licht andeuten sollen. Es handelt bei dem ungewöhnlichen Gebilde um ein Trinitätssymbol für Gott, der in der orthodoxen Malerei selten als Person oder als menschliche Figur dargestellt wird, aber dessen Anwesenheit doch markiert werden sollte. In der Geschichte wurde diese Strahlenart später auch von der Kunst der Westkirchen übernommen, so noch bei einer Trinitätsdarstellung des 20. Jahrhunderts.
Paul Huber: Apokalypse. Bilderzyklen zur Johannes-Offenbarung in Trier, auf dem Athos und von Caillaud d’Angers, Düsseldorf 1989.
Massimo Capuani, Maurizio Paparozzi: Athos, Milano 1997.
Kriton Chrysochoidis: I monasteri del Monte Athos e il mondo ortodosso dopo la caduta Constantinopoli, in: Grigore Arbore Popescu (Hrsg.): Christiani d’ Oriente: Spiritualità, arte e potere nell’ Europa post bizantina, Milano 1999, S. 71-77.