Gerd Winner: Altarbild aus St. Heinrich in Wolfsburg (1962)

Das Altarbild der römisch-katholischen Kirche St. Heinrich in Wolfsburg-Süd (Siedlung Köhlerberg) hat der Künstler Gerd Winner (geb. 1936) im Jahr 1962 gestaltet. Solche figürlichen Sakralarbeiten sind für Winner eine seltene Ausnahme. Sie finden sich, wenn überhaupt, in seiner frühen Schaffensphase und zeigen den Einfluss von Josef de Ponte. Im Mittelpunkt thront Christus in einer roten Mandorla. Die mit Zinnen besetzten Tore, die sich an den Seiten der Christusfigur anschließen, haben verschiedene Ausmaße und sind alle in einem Goldton gehalten. Ein Tor ist so klein, dass man es nur mit Mühe entdecken kann. Wenn diese Unterschiedlichkeit auch von der Offenbarungserzählung abweicht, so verdeutlicht sie hier verschiedene Lebensphasen: Jeder Mensch soll immer wieder erneut für sich selbst bestimmen müssen, an welchem Tor er steht. Sie alle sind offen und lassen doch keinen Blick in die Himmelsstadt zu, sondern geben die geweißte Altarwand wieder.
Einst war die mächtig wirkende, im Brutalismusstil errichtete Kirche das religiöse Zentrum einer aufstrebenden Neubausiedlung. Ab der Mitte der 1980er Jahre führten Kirchenaustritte und der Zuzug von nichtkatholischen Bevölkerungsschichten zu einem starken Rückgang der Gemeindemitglieder, so dass um 2018 das Sakralgebäude vom Bistum an ein Architektenbüro verkauft wurde. Seitdem ist es öffentlich nicht mehr zugänglich. Die zukünftige Nutzung als Veranstaltungsort oder als Wohnbau ist noch nicht geklärt, ebenso ist die Zukunft des Altarbildes, das möglicherweise nicht mehr in dieser ursprünglichen Form existiert, ungewiss.

 Jubiläum der St.-Heinrich-Kirche in Wolfsburg: 20 Jahre St. Heinrich, 1961 bis 1981, Wolfsburg 1981.
Karen Schaelow-Weber: Die katholischen Kirchen in Wolfsburg, Passau 2001.

 

Zum Künstler:

Gerd Winner wurde am 8. Oktober 1936 in Braunschweig geboren. Er studierte von 1956 bis 1962 Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und wurde im Semester 1961/62 Meisterschüler von Werner Volkert. Die nächsten Jahre lebte und arbeitete er als freier Maler und Grafiker in Berlin, Braunschweig und London. 1975 wurde er zum Professor für Malerei und Graphik an der Akademie der Bildenden Künste München ernannt. Seit 1974 ist das Barockschloss in Liebenburg die Wohn- und Wirkungsstätte des Künstlers.
Bekanntgeworden ist Winner durch großformatige Werke im öffentlichen Raum in der Technik des Siebdrucks, wobei er eng mit Chris Prater (1924-1996) zusammenarbeitete. Im Jahr 2000 entwarf und baute Winner auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen das „Haus der Stille“. Es handelt sich um eine begehbare Skulptur, in welcher Besucher und Besucherinnen sich sammeln und innehalten können.
Winner gestaltete in seiner Frühzeit auch Sakralräume, etwa die Dominikanerkirchen St. Albertus Magnus in Braunschweig und Heilig Kreuz in Köln, dann in der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt in Bad Gandersheim. Seine Werke sind in internationalen Museen und Galerien ausgestellt, so beispielsweise in der Tate Gallery in London. Mit Wolfsburg verbindet ihn noch, dass er 1969 den Kunstpreis für Grafik der Stadt verliehen bekam.

 

Beitragsbild: Horst Scholz

tags: Altarbild, Moderne, Wolfsburg, Niedersachsen
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