In Santa Prassede ist das Himmlische Jerusalem nicht nur seitlich in der Apsis als Stadtvedute dargestellt, sondern im oberen Teil des Triumphbogens noch ein weiteres Mal. Durch die klare Darstellung und Proportion kann man die Szenerie auch vom 13 Meter tiefer gelegenen Kirchenraum aus gut erkennen: Eine vergoldete Stadtmauer, besetzt mit Gemmen und Perlen, mit mehreren Pfeilern oder Türmen, umzieht die Stadt in ovaler Form. Eine deutlicher quadratische Gestalt war an dieser Position wegen der angrenzenden Decke kaum darstellbar. Im Inneren ist keine Architektur dargestellt, sondern eine 21köpfige Personengruppe. Links und rechts bewacht jeweils ein Engel einen Toreingang, in der Stadt sind dann noch weitere Engel dargestellt. Im Stadtzentrum steht an Stelle des Lamms Christus, der ein aufgeschlagenes Buch hält. Unter ihm findet sich an beiden Seiten jeweils eine Frau, die bittend die Hände hebt: Maria und die Titelheilige Praxedis. Links und rechts davon sind jeweils sechs Apostel zu sehen.
In dieser Größe und an diesem prominenten Platz im Kircheninneren ist die Darstellung des Himmlischen Jerusalem in Santa Prassede ein Unikat. Die Kirche in der heutigen Gestalt wurde von 817 bis 824 unter Papst Paschalis I. nach dem Vorbild von Alt-St. Peter wiedererrichtet. Wichtig unter der Regierungszeit von Paschalis I. war die Bestätigung der Selbständigkeit des Kirchenstaates und der freien Papstwahl durch Kaiser Ludwig den Frommen, die bereits mit seinem Vorgänger ausgehandelt worden war. Dieser römische Papst versuchte zu einer Zeit karolingischer Vorherrschaft mit der apokalyptischen Themenwahl in byzantinistischer Stilistik und karolingischer Renaissance seinen imperialen Herrschaftsanspruch in Form der in Rom verwirklichten Ecclesia zum Ausdruck zu bringen. Dem widerspricht in gewisser Weise der friedliche Charakter der Stadt auf grüner Wiese. Die Türme sind nicht besonders hoch, auch nicht die Mauern, die weder Zinnen noch Schießscharten aufweisen. Die Stadtzugänge sind offen, Torflügel zum Verschließen scheinen ganz zu fehlen.
Rotraut Wisskirchen, Franz Schlechter: Die Mosaiken der Kirche Santa Prassede in Rom, Mainz 1992.
Maurizio Caperna: La basilica di Santa Prassede. Il significato della vicenda architettonica, Roma 1999.
Caroline Jane Goodson: Revival and reality: The Carolingian Renaissance in Rome and the basilica of S. Prassede, in: Acta ad Archaeologiam et Artium Historiam Pertinentia, New Series, 6, 20, 2007, S. 163-192.
S. Prassede zeigt das Himmlische Jerusalem erneut in der Apsis, ebenfalls um 820 entstanden. Es ist ein Mosaik mit erstaunlicher Leuchtkraft, die sich in dem Raum über ein Jahrtausend erhalten hat. Es handelt sich um einen annähernd quadratischen Block, der zunächst die Außenmauern zeigt, die mit Edelsteinen verziert sind, dann auch Perlen und vor allem Gold. Die Edelsteine haben eine rechteckige oder ovale Form und türkisblaue Farbe. Um jeden Stein sind stets vier weiße Perlen in roter Fassung gesetzt. Das blaue Fundament sowie der blaue Baum vor seinem Eingang sind mit Lapislazuli ausgestaltet. Die antiken Bauten im Inneren der Stadt sind denen von zeitgleich entstandenen Mosaiken, etwa in den römischen Kirchen S. Marco oder S. Cecilia in Trastevere, sehr ähnlich. Damals hatte auch eine Großstadt wie Rom nur eine begrenzte Zahl von Mosaizisten, die für solche sakralen Auftragsarbeiten in Frage kamen, so dass bei diesen drei Kirchen vermutlich Künstler aus der oder den gleichen Werkstätten beteiligt gewesen waren. Auch in S. Prassede zieht sich ein Lämmerfries von der einen Stadt (Jerusalem) zu der gegenüberliegenden Stadt (Bethlehem) über die gesamte Apsis hinweg.
Rotraut Wisskirchen: Das Mosaikprogramm von S. Prassede in Rom, Münster 1990.
Rotraut Wisskirchen, Franz Schlechter: Die Mosaiken der Kirche Santa Prassede in Rom, Mainz 1992.
Caroline Jane Goodson: The basilicas of pope Paschal I (817-824). Tradition and transformation in early medieval Rome, New York 2004.
Textbild: A. Fletcher