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Johann Georg Tibianus (1541- um 1611): Nomina Mariae (1587)

„Viginti quatuor praecipua et sanctissima nomina beatissimae Mariae virginis“ ist der vollständige Titel einer Handschrift, welche 1587 in Riedlingen angefertigt wurde. Auftraggeber des frommen Werkes war der Salemer Abt Johannes IV. An der Ausgestaltung waren mindestens zwei Illustratoren beschäftigt, denn die Eingangsillustration stammt von einer anderen Hand als die übrigen Abbildungen des Bandes. Verfasser war Johann Georg Tibianus (1541- um 1611), ein Lehrer, Kartograph und Dichter aus Freiburg. Sinn und Zweck des Bändchens von lediglich 30 Seiten, war das Lob Mariens in Wort und Bild.
Dementsprechend zeigt bereits die erste Illustration der handkolorierten Federzeichnungen Maria im Bildmittelpunkt, umgeben von zahlreichen Symbolen oder Attributen, die ihre Tugenden loben und preisen. Es ist ungewöhnlich, dass bei dieser frühen Fassung die lateinischen Spruchbänder weggelassen wurden, doch die Jerusalem repräsentierenden Symbole sind dank der detailreichen Ausgestaltung sicher auszumachen: Mittig links befindet sich die Himmelspforte. Da sich direkt darunter ein Drache (die Hure Babylon) befindet, wurde die Pforte sicherheitshalber geschlossen, man erkennt sogar die Maserungen des Holzes. Gegenüber ist die Gottesstadt gesetzt, umschlossen mit wuchtigen Bollwerken. Im Inneren ragt ein Kirchturm hervor, die Anlehnung an schwäbische Sakralbauten des 16. Jahrhunderts sind unverkennbar: Es ist der Turm von St. Georg in Riedlingen. Beide Symbole vereint, dass breite Wege zu ihnen führen.


Auf den folgenden Seiten werden dann die Symbole der ersten Illustration näher erläutert und prosaisch verherrlicht. Es folgt auf fol. 8v die Civitas Dei als enge, vielgestaltige mitteleuropäische Stadtanlage im „Herbst des Mittelalters“, durchsetzt mit Bauten der Renaissance, wie den mächtigen Geschlechter- oder Rathausturm über dem Meer grüner und roter Dächer. Die enge Stadt platzt aus ihren Nähten, ein erster mutiger Einwohner hat sein Haus außerhalb der Stadtmauer errichtet.


Fol. 21v zeigt, so verrät es die lateinische Unterschrift, die Himmelspforte. Es scheint so zu sein, dass in diese Illustration eine ganze Reihe von Turmvorstellungen mit eingeflossen ist: Porta Coelestis, Paradysi, Regias, Fulgida, Fortix und Beata. Dementsprechend vielgestaltig ist diese Himmelspforte, die mehr ein Torturm an einer Stadtmauer ist, unten fest geschlossen, oben im Dachbereich manieristisch verziert mit Wehrgängen, Filialtürmen, Fähnchen etc.

Johann Georg Tibianus: Viginti quatuor praecipua et sanctissima nomina beatissimae Mariae virginis, Riedlingen 1587
Winfried Aßfalg: Johann Georg Tibianus. Magister, Kartograph und Dichter. Riedlinger Neujahrsgruß von 1588: ‚In großen Dingen gewollt zu haben reicht aus‘, in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach, 17, 2, 1994, S. 19-26.

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tags: Spätmittelalter, Frührenaissance, Hure Babylon, Maria Immaculata, Lauretanische Litanei, Schwaben
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