Die Bildtradition des Neuen Jerusalem musste natürlich auch an die nächste Generation weitergegeben werden, daher findet man entsprechende Abbildungen auch in pädagogischen Materialien, wie dem Katechismus. Ein anderes frühes Beispiel dafür sind die Unterrichtstafeln für Erzherzog Ferdinand Karl Anton (1754-1806) und seinen Bruder Maximilian (1756-1801). Die Tafeln hatte Philipp von Rottenberg 1760 entworfen und kommentiert, um so den jungen Thronerben zu unterrichten. Ob dabei das Weltgericht mit Höllendarstellung und Gerichtsvorstellung einer kindgerechten Pädagogik entspricht, ist eine moderne Frage; im 18. Jahrhundert wurde sie mit Ja beantwortet.
Für die Illustrationen arbeitete von Rottenberg mit Joseph-Charles Roëttiers (1691-1779) aus Paris zusammen. Dabei handelt es sich um ein Mitglied der berühmten Roettiers-Familie von Graveuren, Medailleuren, Silberschmieden und Goldschmieden. 1715 erhielt er den Titel „Graveur des medailles du Roi“ und wurde 1727 zum Generalgraveur der Pariser Münze ernannt. Aus seiner späteren Lebenszeit ist weniger bekannt, der französische Adel befand sich damals in einer Krise, so dass Joseph-Charles Roëttiers dankbar war für einen umfangreichen Auftrag aus Habsburg. Er entwickelte eine eigenwillige illustre Bilderwelt des Rokoko.
Eine der Tafeln thematisiert den Menschen im Kontext verschiedenster Lebensbereiche wie Theologie, Politik, Rechtsprechung. Unten sind drei Tore dargestellt, durch die Menschen in das Leben treten, entweder durch ein weltliches, ein geistliches oder militärisches Tor sich nach oben abmühen, wo für alle der Tod wartet. Dort breitet sich ein traditionelles Weltgericht aus, das anscheinend der kaiserliche Nachwuchs in seinen Bestandteilen kennen lernen sollte: Christus erscheint auf einem Regenbogen als Richter mit Märtyrerkrone und Flammenschwert. Rechts werden Verdammte in der Hölle gekocht, links repräsentiert eine Pforte das Neue Jerusalem. Der Rahmen der Barockpforte ist mit drei Engeln geschmückt, ein weiterer, größerer und vollständiger Engel steht wartend in der Pforte. Im Gegensatz zu vielen anderen Darstellungen fehlen hier die Geretteten, die sonst zu dieser rettenden Pforte zustreben. Das Objekt ist mit einem ausuferndem Strahlenkranz umgeben, der geschickt mit den Flammen der Hölle korrespondiert.
Von Rottenberg vermachte diese und andere Tafeln seinem Bruder Christoph, über den sie dann wohl nach Graz in den Besitz der Familie Hingenau gelangten. 1864 schließlich überließ diese Familie dem Museum Joanneum die Objekte. Seitdem befinden sie sich in der Kulturhistorischen Sammlung am Universalmuseum Joanneum in Graz. Eine spätere Fassung besitzt die Österreichische Nationalbibliothek in Wien (ÖNB).
Astrid Edlinger, Marlies Raffler (Hrsg.): Der Schüler Ferdinand. Unterrichtstafeln für die ‚jüngeren‘ Erzherzöge aus den Sammlungen des Joanneums, Graz 2012.
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