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Vittorio Bertoldi: Mariensymbole aus Sant’Andrea in Terlach/Terlag (1947)

Man geht davon aus, dass die Künstler vorangegangener Genrationen als Meister eine akademische Ausbildung hatten und meist gedankenvoll und durchdacht Sakralkunst schufen – so ist es auch in den allermeisten Fällen. Mitunter gibt es aber auch Beispiele für Unwissen und/oder Missverständnisse – selbst in Italien, dass vielen als Musterland der Sakralkunst gilt. Terlach/Terlag gehört zur Gemeinde Vallelaghi der Provinz Trient (Region Trentino-Südtirol).
Das Bergdorf hatte noch vor hundert Jahren eine starke deutschsprachige Bevölkerung, die in der römisch-katholischen Pfarrkirche Sant’Andrea (vollständig: S. Andrea e Santi Angeli) zusammenkam, dem kulturellen und gesellschaftlichen Mittelpunkt der Gemeinde, im Jahr 1183 urkundlich erstmals erwähnt. Seitdem gab es viele Neu- und Umbauten, auch die Innendekoration wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach geändert. Trotz des respektablen Alters existiert zur Kirche so gut wie keine Fachliteratur, weder zur Kunst noch zur Baugeschichte – der abgelegene Bau liegt schlicht im Dornrösenchschlaf, ein Eindruck, der sich bei meinem Besuch nach komplizierter Anreise mit dem Rad noch verstärkte.
Der heutige Zustand zeigt Freskenmalereien, die die Lauretanische Litanei zum Thema haben. Sie sehen aus wie aus dem 19. Jahrhundert, wurden aber erst 1947 von Vittorio Bertoldi aus Trient aufgemalt – möglicherweise nach älteren Vorlagen, was nie ausgeschlossen werden kann, außer man hat Selbstaussagen des Künstlers zu seinem Werk. Das ist bei Bertoldi nicht der Fall, von dem man ansonsten lediglich noch eine Ölmalerei aus San Lorenzo in Ciago (1946) kennt.
Für Sant’Andrea hat der Künstler verschiedene, auch ansonsten weniger bekannte Symbole der Litanei ausgewählt und sie über die Kreuzgewölbe der drei Kirchenschiffe verteilt. Ein Gewölbefeld umfasst dabei mehrere Symbole, die jeweils in einem Tondo gefasst sind. Glücklicherweise sind sie lateinisch beschriftet, was die Zuordnung erheblich erleichtert, aber auch Fragen aufwirft.

Das Feld, um welches es hier geht, befindet sich im dritten Schiff rechts gegenüber dem Altar. Ganz hinten liest man: „Janua Coeli“, nichts anders als die „Porta Coeli“, also die Himmelspforte. Diese Pforte ist aber gar nicht dargestellt, sondern man sieht die Himmelsleiter bzw. Himmelsstufen. Für etwas Leben sorgen seitlich zwei Engel, und dort, wo man ein Bauwerk vermuten würde, prangt ein verlassenes Kreuz. Diesem Objekt ist in dem Tondo gegenüber das Goldene Haus gesetzt, dann der „Stella Matutina“ (also der Morgenstern – das traditionelle Symbol wäre eigentlich „Stella Maris“). Ihm gegenüber findet man sie: die Himmelspforte.

Es ist ein blockartiger Bau, mit Zinnen bewährt, und, traut man den Scharnieren, fest geschlossen. Somit ist es eine Darstellung der „Porta Clausa“. Beschriftet wurde sie irrtümlich mit „Mater Intemerata“, „Reine oder unbefleckte Mutter“. Diese Mutter ist aber hier gerade nicht dargestellt, sondern ein Engel mit Flammenschwert, der vor der Pforte Wache hält. Lösung: der Maler, offensichtlich ohne oder mit mangelhaften Lateinkenntnissen, vertauschte hier Symbol mit Zuschreibung, wie auch auf anderen Feldern dieser Kirche. Möglicherweise kann er aber mildernde Umstände für sich geltend machen: Die umfangreichen Malereien führte natürlich nicht Bertoldi, sondern Malergehilfen aus, die sich nicht immer an die Anweisungen hielten.

Danilo Mussi: I segni del sacro nella Valle dei Laghi, Tione 2012.
Speciale Frazione: Terlago, in: Vallelaghi informa, 1, Vallelaghi 2019.

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tags: Porta Coeli, Porta Clausa, Südtirol, Himmelspforte, Fehler, Deckenmalerei
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