Pieter van der Borcht (1545-1608): Maria Immaculata nach dem Hohelied (um 1590)
Auch von Pieter van der Borcht/Petrus van der Borcht (1545-1608) kennen wir eine Darstellung der Maria Immaculata. In diesem Fall wundert es wenig, denn hinter dem illustren Namen Borcht verbergen sich vermutlich mehrere flämische Künstler, die zwischen 1535 und 1608 in Mechelen, Antwerpen und Brüssel als Kupferstecher und Buchillustratoren tätig waren. Thematisch ist der Bogen weit gestreckt, es gibt fast nichts, was nicht irgendwo irgendwie mit den Borchts in Verbindung gebracht wurde und wird. Eine eindeutige Zuschreibung der einzelnen Arbeiten zu einem bestimmten Familienmitglied ist selten möglich, eine verlässliche kunsthistorische Forschung zu dem Leben und umfangreichen Schaffen der Werkstatt Borcht existiert nicht und überfordert die Fähigkeiten der heutigen Wissenschaftler.
Ein zurückhaltend kolorierter Kupferstich gehört zu Illustrationen aus dem Hohelied, welche 2016 in Antwerpen zur Versteigerung anstanden. Die 28 x 20 Zentimeter große Arbeit wird von Fachleuten auf das Jahr 1590 datiert. Vermutet wird eine Kenntnis zumindest einer Miniatur aus „Viginti quatuor praecipua et sanctissima nomina beatissimae Mariae virginis“ von 1587, und da Pieter van der Borcht ein begnadeter Kopierer bzw. Plagiator gewesen war, ist diese seine Arbeit kurz nach 1587, aber nicht im 17. Jahrhundert, als der Künstler bereits gebrechlich und kaum mehr aktiv war, entstanden.
Der Stecher, war es nun van der Borcht oder jemand anderes, war mit der Bildkomposition überfordert. Unter einer Trinitätsdarstellung öffnen sich nochmals die Wolken, eine geschlossene Himmelspforte erscheint. Unter ihr findet sich nicht etwa die Beschriftung „Porta Coeli“, sondern irrtümlich „Civitas Dei“. Diese ist auf dem Kupferstich allerdings überhaupt nicht dargestellt, außer man geht davon aus, dass die Paradiesmauer, die oval die Marienfigur und viele ihrer Symbole umzieht, die Stadt Gottes sein soll. Die Eigentümlichkeiten gehen weiter: Gerade da, wo ein Löwe und ein Drachen Gefahr anzeigen, setzt der Künstler die Himmelspforte. Diese Pforte ist nun als „Porta Clausa“ tituliert, die wir bereits schon oben gesehen haben und die also zweimal gesetzt wurde. Immerhin ist hier mehr von der Renaissance-Architektur zu sehen, so dass man feststellen kann, dass beide Himmelspforten identisch gestaltet wurden.
Alastair Hamilton: From familism to pietism. The fortunes of Pieter van der Borcht’s Biblical illustrations and Hiël’s commentaries from 1584 to 1717, in: Quaerendo, 11, 1981, S. 271-301.
Ralph Dekoninck: Entre Réforme et Contre-Réforme. Les Imagines et figurae Bibliorum de Pieter van der Borcht et Hendrik Jansen van Barrefelt, in: Quaerendo, 29, 1999, S. 96-131.
Natasha Seaman, Joanna Woodall: Money matters in European artworks and literature, c. 1400-1750, Amsterdam University Press 2022.
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