Die 1970er Jahre waren die Zeit des brutalen, schonungslosen Sichtbetons, im sakralen Kontext spreche ich (halb ironisch, halb ernst) vom Beton-Halleluja. Schon nach wenigen Jahren begannen Gemeinden, deren Kirchen solche kahle Betonwände zeigten, verzweifelt bis hoffnungsvoll nach Lösungen zu suchen, die Innenräume etwas wärmer und humaner zu gestalten. Die römisch-katholische Laurentiuskirche in Niederbühl bei Rastatt (Baden) aus dem Jahre 1968 stand ebenfalls vor diesem Problem und suchte nach einem geeigneten Künstler oder einer Künstlerin zur passenden Innengestaltung.
Christel Holl (geb. 1945) ist überwiegend künstlerische Autodidaktin, lernte aber als Schülerin von Noel Dyrenforth, einem Experten der Batikkunst in London. Seit 1982 hat sie ihr eigenes Atelier und ist auf Wandgestaltung von Kirchen spezialisiert. Sie lebt und arbeitet in Rastatt, also in unmittelbarer Nähe der Laurentiuskirche. Von ihrer Gemeinde wurde sie beauftragt, einen Wandschmuck für die Rückseite des Altars zu entwerfen. Holl schuf daraufhin 1985 für die Betonwände mehrere Batikbilder in violetter, roter und orangener Farbe. Diese wurden auf die Wand hinter dem Altar aufgehängt. Die erste Batik der linken Seite zeigt u.a. die Vision eines Himmlischen Jerusalems und das Gleichnis vom Sämann, was soweit bekannt nur dieses eine Mal in ein gemeinsames Bild gefasst wurde. Rot, die dominierende Farbe der Kirche, findet sich nicht nur in Holls Batikarbeiten, sondern auch in den Glasbausteinen, in den Emaille-Eingangstüren, aber auch in der Tabernakeltüre, so dass die gesamte Kirche bei entsprechendem Licht in einen rötlichen, warmen Ton getaucht ist.
Holl hat ihr horizontales Kunstwerk in der Mitte geteilt: Unten, in der Menschenwelt, stehen und knien Gläubige vor einem Kreuz. Hier ist Violett die vorherrschende Farbe. Darüber steht die Engelswelt: Zwölf Engel in weißen Gewändern stehen vor der Stadt. Diese ist als Strichzeichnungen in Umrissen im Hintergrund zu sehen. Hier herrscht, je nach Lichteinfall, die Farbe Orange oder Rot vor. Beide Ebenen werden durch einen Keil verbunden: Das Kreuz und ein Kreissymbol (vgl. das kurz zuvor entstandene Fresko in Bad Reichenhall) schlägt aus der Himmelswelt auf die Erde ein, bringt Licht und Hoffnung.
Heimatbuch Niederbühl und Förch: 1057-1988, hrsg. im Auftrag der Stadt Rastatt durch die Ortsverwaltung Niederbühl, Rastatt 1988.
Esther Kaufmann, Christel Holl: Dein Reich komme, Landshut 2010.