Werner Rolevinck (1425-1502) war ein literarisch überaus aktiver Kartäusermönch, der zahlreiche Schriften kirchengeschichtlicher und exegetischer Art verfasst hat. Sein wichtigstes Werk war „Fasciculus temporum“. Dieses war eine Universalgeschichte in übersichtlicher Form, die zwar zu seiner Zeit keine herausragende wissenschaftliche Leistung darstellte, aber als eine Art „Ploetz des 16. Jahrhunderts“ posthum weite Verbreitung fand.
Es liegt auf der Hand, dass in einer Universalgeschichte das Himmlische Jerusalem nicht fehlen durfte. Es erscheint auf fol. 78v als Oktogon angelegt und erinnert an den Tempel des Salomon. Über zwei Treppchen mit Geländer – ein origineller Einfall des anonymen Holzschnitzers – erreichen drei Gerettete Petrus, der ihnen die Himmelspforte aufschließt. Sanft streichelt er einer nackten Frau über die Haare – leider kann man solche Szenen nicht mehr neutral betrachten, sondern muss sofort an die Übergriffe und Missbrauchsskandale der Kirche(n) denken, die mit solchen scheinbaren Harmlosigkeiten begannen. Über diesen Figuren zeigt sich in spätgotischen Arkadenbögen Gottvater mit Reichsapfel und mehrere Engel, die auf verschiedenen mittelalterlichen Instrumenten musizieren. Der Bau hat eine klare Dreiteilung, was sich auch oben an den drei Arkaden wiederholt, die von einer roten Kuppel oder einem Dach überwölbt sind. Durch die weite Verbreitung auch der Illustrationen wurde dieser Bautyp „Seelenturm“ auch bei Wandfresken populär, erhalten haben sich solche Beispiele Jouvenceaux (um 1480) und in Saint-Sixte (1573).
Hugo Wolffgram: Neue Forschungen zu Werner Rolevinck’s (Carthäusermönch 1425-1502) Leben und Werken, Münster 1890.
Volker Honemann: Theologen, Philosophen, Geschichtsschreiber, Dichter und Gelehrte im ‚Fasciculus temporum’ des Werner Rolevinck, in: Wilfried Ehbrecht (Hrsg.): Der weite Blick des Historikers. Einsichten in Kultur-, Landes- und Stadtgeschichte, Köln 2002, S. 337-356.
Albrecht Classen: Werner Rolevinck’s Fasciculus Temporum. The history of a late-medieval bestseller, or: The first hypertext, in: Gutenberg-Jahrbuch, 81, 2006, S. 225-230.