John Martin (1789-1854): Ölmalereien zur Apokalypse aus der Tate Gallery London (1841, 1850-1853, und 1853)
John Martin (1789-1854) ist der Apokalypsenmeister der beginnenden klassischen Moderne. Wenige Künstler haben die Zeichen der Zeit in einer so treffenden, aktuellen Sprache auf die inzwischen zweitausend Jahre alte Offenbarungsschrift appliziert wie Martin. Seine gewaltigen Gemälde zur Offenbarung des Johannes fangen die Betrachter förmlich ein und üben suggestive, meditative Kraft aus. Martin ist es vor allem gelungen, alte Sujets wie Zweiwegebilder, Stadtdarstellungen u.a. zu überwinden und zu neuen Aussagen durchzudringen.
In seiner letzten Lebens- und Schaffensphase war die Apokalypse eines der zentralen Themen des Künstlers. „The Celestial City and the River of Bliss“ wurde als Ölgemälde 1841 abgeschlossen, es ist, schon vom Titel her, eine Interpretation zu John Bunyans Pilgrim’s Progress. Dieses Thema hatte der Künstler schon gut zehn Jahre zuvor illustriert. Jetzt präsentiert er uns eine kaum sichtbare weiße Himmelsstadt mit Engeln über einer düsteren Moor- und Heidelandschaft. Die Arbeit befindet sich in der Tate Gallery zu London, die auch sein Hauptwerk beheimatet: „The Last Judgement“.
„The Last Judgement“ (3,2 x 1,9 Meter) malte Martin zwischen den Jahren 1850 und 1853. Naturgewalten zerstören die alte Erde. Wie schon im Bildaufbau der Antike und vor allem des Mittelalters finden sich links die Geretteten und rechts die Verdammten, die in die Hölle hinabrutschen. Links geht es zur Erlösung, zum Himmlischen Jerusalem, das sich neben der Schlucht, die Gut und Böse teilt, auf einem gewaltigen Fundament erhebt. Die weißen Bauten, die darauf zu erkennen sind, erscheinen wie antike Tempel und Portiken. Darüber erhebt sich nochmals eine allegorische Verklärung der Gottesstadt, die allein durch weiße Engelsgestalten wiedergegeben ist. Die Engel reihen sich in geraden Linien um Christus, der in der Mitte auf einem Thron residiert.
Es gibt noch eine dritte Ölmalerei, die zu den großen Apokalypse-Interpretationen des Meisters zählt. „The Plains of Heaven“ (1851-1853) ist eines seiner letzten großformatigen Werke, es entstand 1853 wenige Monate vor seinem Tod. Martin ist sich seiner Konzeption über zehn Jahre treu geblieben: Im Vordergrund findet sich eine paradiesische Landschaft, in die der Betrachter von erhöhtem Standpunkt blickt. Engel bevölkern die reine Naturlandschaft, die in helles Licht getaucht ist. Die Gottesstadt erscheint auch hier als Architekturvision im oberen Drittel des Bildes, allein durch helle Linien skizziert. Auch diese letzte Arbeit gehört zu den Sammlungsbeständen der Tate Gallery.
William Feaver: The art of John Martin, Oxford 1975.
Kirsten Hoving Keen: John Martin’s apocalyptic imagery and its contemporary context, (Newark) 1977.
Michael J. Campbell: John Martin. Visionary printmaker, (London) 1992.
Giovanni Guardia: Gli angeli di John Martin, in: Angeli, bearb. von Vega de Martini, Firenze 1994, S. 108-109.
David Bindman: The English Apocalypse, in: Frances Carey (Hrsg.): The Apocalypse and the shape of things to come, Toronto 1999, S. 208-269.