Eine steinerne Darstellung des Jüngsten Gerichts findet sich auch über dem südöstlichen Portal des Ulmer Münsters. Durch ein markantes Wolkenband vom oben thronenden Christus abgetrennt ist rechts die Hölle und links das Himmlische Jerusalem dargestellt. Dort schließt Petrus einem Bischof, den er an der Hand hält, einem König oder Kaiser (der einen Reichsapfel mit sich führt, den er vermutlich abgeben muss) und einigen anderen vornehmen Ständevertretern die Himmelspforte auf. Die Architektur der Stadt besteht aus einem Turm mit gotischem Maßwerk, über dem ein stehender Engel musiziert, und einem Stück Mauerwerk, über dessen Zinnen ein weiterer, kleinerer Engel zu finden ist. Die gesamten Sandsteinarbeiten waren einst vergoldet, auch die Hölle mit ihren Ungeheuern, während der Hintergrund tiefblau bemalt wurde. Reste der originalen Kolorierung haben sich erhalten.
Dieses Braut- oder Gerichtsportal stammt höchstwahrscheinlich noch aus der Vorgängerkirche des Münsters, der alten Pfarrkirche „über Feld“, also außerhalb der damaligen Stadtmauer von Ulm gelegen. Das legt eine Entstehungszeit für das Tympanon um das Jahr 1360 nahe. Der Name des Künstlers oder des Steinmetzbetriebs ist uns nicht bekannt. Vermutlich lebte der Meister aber noch zur Zeit des Umbaus der alten Pfarrkirche „über Feld“, welcher wohl schon von Heinrich Parler geleitet wurde (der ja dann auch der erste Baumeister des Ulmer Münsters geworden ist). Kunsthistoriker sprechen daher auch vom „Parlerstil“. Dieses war aber eher ein überregionaler Stil, vergleicht man diese Arbeit mit dem Jerusalem aus Gelnhausen, das man nur vergoldet und leicht verwittert vorstellen muss.
Hans Eugen Specker, Reinhard Wortmann: 600 Jahre Ulmer Münster: Festschrift, Stuttgart 1977.
Elmar Schmitt (Hrsg.): Das Ulmer Münster in Vergangenheit und Gegenwart, Weißenhorn 1989.
Claus Bernet: Gemacht für die Ewigkeit. Steinwerke des Himmlischen Jerusalem, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 8).